Es ging mir relativ
häufig nicht so besonders gut in den letzten Wochen. Ich habe manchmal
Ansätze von alten Denk- und Verhaltensweisen in mir gespürt. Ich wurde
dadurch etwas verunsichert, habe automatisch mich und meine
Befindlichkeiten sehr stark beobachtet und habe erlebt, dass durch
wiederkehrende negative Erlebnisse mein Schutzpolster etwas angegriffen
wurde.
Mir ist bewusst geworden,
wie sensibel ich doch bin und wie schnell mich doch ganz alltägliche
Erlebnisse aus dem Gleichgewicht bringen können, obwohl ich in meinem
Leben eigentlich keine besonderen Belastungen habe.
Ich finde mich auf der
Arbeit sehr gut zu recht, habe nicht zu viel um die Ohren und ich komme
auch mit meinen Kollegen gut klar. In meiner Partnerschaft mit meiner
Freundin erfahre ich sehr viel Liebe und Geborgenheit. Zusammen versuchen
wir, unsere Träume zu verwirklichen, es uns gut gehen zu lassen und das
Leben so einfach wie möglich zu nehmen.
Trotzdem habe ich
Schwierigkeiten.
Ich erinnere mich
manchmal an ein Zitat von Jean Paul Sartre, das lautet:
„Der sensible
Mensch leidet nicht aus diesem oder jenem Grund, sondern weil nichts auf
dieser Welt seine Sehnsucht stillen kann“. Ich finde, dass das sehr auf
mich zutrifft.
Zum Beispiel ist die
Partnerschaft mit meiner Freundin wunderschön und ich möchte sie niemals
missen. Dem entgegen steht manchmal aber mein Freiheitsdrang. Es ist
einfach so, dass man in Beziehungen häufig Kompromisse machen muss. Die
meisten Menschen leben damit, aber mich scheint der
innere Konflikt doch
sehr zu beeinträchtigen.
Sehr belastend war für
mich in den letzten Wochen, dass ich mich bei Besprechungen auf der Arbeit
oft sehr unwohl gefühlt habe. Ich war häufig verkrampft und hätte am
liebsten den Raum verlassen. Ich konnte es mir selbst nicht erklären. Ich
empfand das so, als wäre ich mit der Zeit in kleinen Schritten an diesen
Punkt gelangt, hätte immer mehr Augenmerk auf meine Befindlichkeit gelegt,
die sich aber wahrscheinlich gerade dadurch verschlechtert hatte.
Dr. Mück bat mich in der
Sitzung, das Gefühl näher zu beschreiben oder den Auslöser zu nennen. Mir
fiel das sehr schwer, weil ich es selbst nicht richtig greifen konnte. Es
hatte sicherlich etwas mit dem Gefühl zu tun, dass meine Kollegen mir
meine Angespanntheit anmerken könnten und dass ich mich auch besonders
beobachtet und gemustert fühlte.
Aber je mehr ich das registriert habe,
desto mehr verstärkte sich auch das negative Gefühl. Es brachte mich ein
bisschen zur Verzweiflung, dass ich mich nicht dagegen wehren konnte.
Zurzeit ist nicht so
leicht, in diesem Punkt eine Lösung zu finden.
Dr. Mück erklärte mir,
dass ein
Veränderungsparadox greifen könnte. Das bedeutet, dass mir meine
Probleme so lange zu schaffen machen, wie sie mich stören, wie ich unter
ihnen leide und sie nicht akzeptiere. Nehme ich sie aber irgendwann als
gegeben hin, könnte eine Besserung eintreten. Ich fand das sehr
interessant und ich kann mich erinnern, dass ich solche Situationen schon
erlebt habe.
Ein Gedanke, der mir in
der letzten Zeit bei passenden Gelegenheiten häufig kam, war ein
Kommentar, den Dr. Mück mir einmal in mein Tagebuch geschrieben hatte.
„Was man beobachtet, das wächst“. Viele Dinge haben mir in der
Vergangenheit Schwierigkeiten bereitet, weil ich ein besonderes Augenmerk
auf sie gelegt habe. Je mehr ich mich darüber geärgert habe, desto
unangenehmer wurden sie. Es ist mir jetzt häufig gelungen, die
Befürchtungen einfach zu ignorieren und den Gedanken nicht aufkeimen zu
lassen, was häufig funktioniert hat.
Im Moment stelle ich auch
wieder zunehmend fest, dass ich mir meiner inneren Stimmen mehr und mehr
bewusst werde. Es war früher sehr oft so, dass es mir nicht gut ging, weil
es mir in den entscheidenden Momenten entging, dass sich meine inneren
Stimmen gemeldet hatten. Jetzt kann ich sie häufig mit einem
Gedankenstreich wegwischen.
In der Sitzung riet mir
Dr. Mück nochmals, zu üben, mich aus einem anderen Blickwinkel zu
betrachten. Er nennt das „dissoziieren“. Ich verstehe das so, als wenn ich
mich ein bisschen von mir selbst löse und mich von außen betrachte.
Tatsächlich ist es mir in der letzten Zeit häufiger gelungen, das zu tun
und eine unmittelbare Verbesserung meines Befindens zu erreichen. Ich
erlebe manchmal eine bewusstere, veränderte Denkweise. Es gelingt mir
dann, ein anderes Lebensgefühl zu erzeugen, indem ich mir ein anderes Bild
von mir mache, als das, das in den letzten Jahrzehnten gewachsen ist. Mir
wird immer klarer, dass ich Opfer meiner eigenen starren Regeln und
eingemeißelten Vorstellungen bin, im Bezug auf das was ich glaube, was
andere von mir denken und erwarten.
Mein Verstand kann den
Gedanken, dass dieses Verhalten unsinnig ist, sehr gut annehmen. Ich spüre
aber eine andere gewaltige Kraft in mir, die es mir nicht erlaubt, aus mir
herauszugehen und mich zu zeigen. Manchmal flackert das Gefühl in mir auf,
mich
einfach fallen lassen zu können. Nicht dass ich das in einigen
Situationen nicht jetzt schon kann, aber das entscheidende ist, dass ich
den Respekt auch vor solchen Situationen verliere, in denen ich meiner
Ansicht nach unbedingt „bestehen“ muss, in denen ich souverän, kraftvoll,
locker, präsent und was weiß ich noch sein „muss“.
Ich spüre Veränderungen
und ein Teil dazu ist auch dieses Online-Tagebuch, bei dem ich gerade in
diesem Moment das gute Gefühl habe, mich zeigen zu können. Denn auch hier
setze ich mich häufig unter Druck, ein gutes Bild abzugeben und
erfolgreich zu sein. Dazu passt eigentlich nicht, dass es mir trotz der in
den letzten Sitzungen beschriebenen Erfolge nicht so gut geht, wie ich mir
das wünsche. Hinzu kommt auch,
dass ich dem Ehrgeiz von Dr. Mück gerecht
werden und ihn nicht enttäuschen möchte. Wenn ich das bei Dr. Mück
anspreche, gibt er mir ausdrücklich zu verstehen, dass ich so sein soll,
wie ich bin, dass ich ehrlich sein soll und dass ich unter keinem
Erfolgsdruck stehe. Dr. Mück öffnet mir alle Tore, mich zeigen zu können.
Es fällt mir meistens schwer, aber ich bin mir sicher, dass ich auf einem
guten Weg bin.
Zu Sitzung 13 |