Einleitung
Systemtheoretisches Denken und systemtheoretische
Paradigmen1 sind heute zwar allgegenwärtig, aber bedingt durch die
Vielschichtigkeit der Thematik ist das Gedankengebäude der Systemtheorie
äußerst komplex und nur schwer zugänglich. Einmal damit vertraut, eröffnen
die Erkenntnisse dieser Theorie jedoch äußerst interessante Perspektiven
für ein breiteres Verständnis unserer Welt. Die Entstehung und die
Änderungsdynamik von Systemen lassen sich damit besser erschließen und
beschreiben.
Nachfolgend wird der Versuch unternommen, zentrale Aspekte
herauszufiltern und so die Systematik dieses Ansatzes allgemein
zugänglicher zu machen.
Was ist ein System?
Seit der Antike bezeichnet „System“ die Beziehung
zwischen Teilen und einem übergeordneten Ganzen. Die
Begriffsverwendung in der aktuellen Systemtheorie berücksichtigt die im
Gegensatz zum relativ stabilen übergeordneten Ganzen erkennbar
dynamischeren Beziehungen der Teile:
Ein System ist ein aus
bestimmten Elementen und der Organisation ihrer Relationen
entstehender dynamischer Zusammenhang.
Der Fokus der Systemtheorie2
Elemente im Sinne der hier betrachteten Systemtheorie sind
„lebende“ Elemente, die einen mehr oder weniger großen eigenen
Aktionsradius besitzen und nicht vollständig auf eine mechanistische
Wirkungsweise festgelegt sind. In der Annahme, das Ganze kann nur eine
Summe seiner Teile sein, verfolgte die wissenschaftliche Forschung
zunächst einen reduktionistischen Ansatz. Durch die Isolierung der Teile
eines Systems und einer Beschreibung von deren Eigenschaften wurde
versucht, von den Merkmalen der Teile Rückschlüsse auf die Funktionsweise
des daraus gebildeten Systems abzuleiten.
Schon sehr bald wurde offensichtlich,
dass alle bestehenden Systeme Eigenschaften
aufweisen, die sich nicht alleine aus den Merkmalen ihrer Elemente oder
Teile erklären lassen. Jedes System
entwickelt somit ganz spezifische Eigenarten, die nicht dessen Elementen,
sondern nur dem System als ganzem zugerechnet werden können. Diese aus dem
Zusammenwirken hervorgehende neue Qualität bezeichnet man als Emergenz3.
⇒ Das Charakteristische einer Musikband lässt sich aus dem
Können ihrer einzelnen Musiker weder alleine erklären noch erzeugen. Nur
in der Entfaltung und Dynamik des Zusammenspiels stellt sich das (Spiel-)Niveau
ein, das den typischen Sound schließlich ausmacht.
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1 Paradigma: ganz allgemein bestimmbar als gemeinsam
geteilte Vorstellung einer Gruppe von Wissenschaftlern in einer Disziplin
2 Systemtheoretische Konzepte und Modelle gibt es
inzwischen in allen Wissenschaftsbereichen. Aufgrund der verblüffenden
Ähnlichkeit der Systemprobleme ist die Allgemeine Systemtheorie als
interdisziplinäre Wissenschaft entstanden.
3 Der Begriff wurde von G. H. Lewes (1817-1878) in die
Philosophie eingeführt und bezeichnet das Auftauchen einer neuen Stufe in
der Evolution oder das Erscheinen neuer Qualitäten, die sich nicht aus den
Gesetzmäßigkeiten einer anderen Ebene der Evolution erklären lassen. Damit
widerspricht die Theorie der Emergenz dem Programm eines extremen
Reduktionismus, der glaubt, alle Phänomene auf eine unterste Stufe der
Realität zurückführen zu können.
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