Die neue Qualität im Zusammenwirken der Teile
Das Zusammenwirken von Teilen in einem System macht vor
allem eines möglich:
Spezialisierung. Nicht mehr alle machen alles, sondern
einzelne Elemente eines Systems können sich auf spezifische Aufgaben konzentrieren und
deren Erledigung optimieren.
⇒ Erst durch Spezialisierung können einzelne
Spieler einer Fußballmannschaft ihre jeweiligen Talente z.B. im Sturm oder in der Verteidigung entwickeln,
trainieren und dann zur Entfaltung bringen.
Ein zentraler Vorteil von Systemen ist somit, dass sich
die jeweiligen Mitglieder entsprechend ihres Potenzials oder auch ihrer Neigungen auf ihre
spezifische Aufgabe konzentrieren und dadurch ein höheres individuelles Leistungsniveau
erreichen können als Generalisten. Durch Spezialisierung wird jedoch ein neues Problem sofort
akut: nur durch eine gelingende
Koordination der Teile kann ein
funktionierendes, auf ein einheitliches Ziel
ausgerichtetes Ganzes erhalten
bleiben.
⇒ So nützt die ganze Spezialisierung wenig, wenn
hoch trainierte Fußballprofis als Einzelkämpfer auf dem Spielfeld agieren würden. Erst das gut organisierte
Zusammenspiel macht die Mannschaft als Ganzes effizient. Emergenz, d.h. ein neues Niveau von
(Spiel-)Qualität, entsteht somit nur in einer gelingenden Vernetzung der Einzelspieler zu einem
harmonisch funktionierenden Team.
Systeme erzeugen ganz systemspezifische Potenziale
und Qualitäten, die sich durch die
Ermöglichung von Spezialisierung und Strukturierung sowie
Koordination des Zusammenwirkens seiner Elemente entfalten.
Die Gesetzmäßigkeiten der Konstituierung, inneren
Entwicklung und Stabilisierung lebender Systeme
Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass sich komplexe
lebende Systeme nicht auf der Präzision und Verlässlichkeit ihrer Elemente gründen,
sondern deren Unverlässlichkeit und Ungenauigkeit ausgesetzt sind. Hochkomplexe Systeme sind
deshalb in der Regel eine Kombination von Unordnung, in denen sich nur phasenweise
Ordnung einstellt. Sie sind somit jederzeit prekär und anfällig.
⇒ Eine Fußballmannschaft ist auch hierfür ein gutes
Beispiel: wer kennt nicht die manchmal unerklärlichen Formschwankungen hochkarätiger
Spielerkader.
Ärgerlich für die Fans, im Auf und Ab der Bundesliga aber
eher erfrischend und nicht gleich das Ende einer Mannschaft, können solche „Unzuverlässigkeiten“
in anderen lebenden Systemen zur tödlichen Gefahr werden. Entartet z.B. Zellwachstum zu
Krebs, kann die Stabilität des biologischen Systems Mensch lebensgefährlich bedroht sein:
dieses wohl komplexeste auf unserem Planeten lebende System kann nur begrenzt
Fehlfunktionen zentraler Systemkomponenten ausgleichen.
Warum ist es aber offensichtlich so schwer, die Elemente
eines Systems in eine klare Ordnung zu bringen und eine verlässliche und unumstößliche
Stabilität herzustellen? Um das zu begreifen, muss zunächst ein zentrales Konzept
der heutigen Systemtheorie erörtert werden: Autopoiesis4. Das mit Autopoiesis bezeichnete
Konzept beruht auf der Beobachtung von Zellen und bezeichnet ein zentrales Merkmal
lebender Systeme. Danach (re-)produzieren sich lebende Systeme kontinuierlich selbst, d.h. die
Elemente des Systems sind eingebunden in Prozesse, die auf die Reproduktion seiner Elemente
abzielen.
Ein autopoietisches System reproduziert die Elemente, aus
denen es besteht, mit Hilfe der Elemente, aus denen es besteht. Jedes lebende System ist
danach in seiner
Tiefenstruktur selbststeuernd
sowie selbstorganisierend5, d.h. im Kern seiner Struktur auf sich
selbst bezogen.
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4 Kunstwort, wurde in den frühen 1970er Jahren von dem
chilenischen Biologen und Neurophysiologen H. R. Maturana und seinem Kollegen F. J. Varela geprägt
5 Selbstorganisation: Konzepte zur Erklärung von Phänomen
der spontanen Entstehung von Ordnung und der Entwicklung dynamischer Systeme, in der Systemtheorie vor
allem bezogen auf die Umsetzung von Umweltreizen in systemimmanent hervorgebrachten Strukturen
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