Es war komisch. Ich
dachte, ich würde da quasi als alter Therapie-Hase locker reinmarschieren
und ein bisschen plaudern. Ich war aber nervös und hatte weiche Knie.
Gerade unmittelbar vor Beginn der Therapie hatte ich das Gefühl, akut
Gefahr zu laufen, wieder in mein altbekanntes Loch zu stürzen. Ich wollte
und ich musste auf jeden Fall etwas verändern.
Dr. Mück begrüßte mich
und führte mich ins Souterrain, wo ich mir einen von zwei bequemen Sesseln
aussuchen durfte. Er verschwand einige Minuten und ich konnte mich im Raum
umsehen und mich an die Stimmung gewöhnen. Der Raum strahlte für mich von
Anfang an Wärme aus. Er war relativ groß und angenehm beleuchtet, er
enthielt sehr viele Dinge, Spielsachen, Gegenstände des täglichen
Gebrauchs, Bücher, Bonbons und überall Zettel mit markanten Sprüchen und
Sätzen.
Als erstes ist mir ein
Satz aufgefallen, der an dem Tisch vor den Sesseln angebracht war. Er
lautete: „Es ist erlaubt, sich hier wohl zu fühlen.“
Am Anfang konnte ich mir
das aber nicht unbedingt erlauben. Ich war relativ angespannt und etwas
benebelt, ein Zustand, den ich aber auch aus vielen anderen Situationen
kannte, in denen ich mich gefordert fühlte.
Herr Dr. Mück ging
besonders intensiv darauf ein. Er erklärte, dass es zunächst das
Wichtigste ist, dass ich mich entspannen kann und dass eine Beziehung
zwischen uns beiden entsteht.
Dr. Mück hatte sich vor
dem Termin durch den Fragebogen und andere Mails von mir schon ein Bild
machen können. Er hatte auch schon einen ersten Ansatz, den wir in der
ersten Sitzung besprochen haben. Es ging um mein Schamgefühl.
Mir war natürlich klar,
dass ich mich in meinem Leben in vielen Situationen unwohl gefühlt habe,
weil ich meine schlechten Gefühle verbergen wollte und weil ich mich vor
anderen nicht blamieren wollte. Das betraf mein Handeln, bei dem zum
Beispiel meine Hände zittern konnten, mein Reden, bei dem ich zum Beispiel
befürchtete, einen Blackout zu bekommen oder auch ganz besonders meine
Körperhaltung und meine Ausstrahlung. Ich wollte einfach nicht schwach
wirken, es sollte keiner sehen, wie angespannt ich war.
Durch das Gespräch mit
Dr. Mück wurde mir zum ersten Mal so richtig klar, dass ich ein viel zu
übertriebenes Schamgefühl habe. Das Sinnlose dabei ist, dass ich mich
dabei völlig verzerrt wahrnehme und auch die Wertungen von anderen völlig
falsch einschätze und bewerte. Meine Überzeugung war, dass andere mich
abwertend betrachten, wenn meine Hände zittern, wenn ich klein und schwach
wirke und vor allem wenn sie wüssten, dass ich Ängste habe und depressiv
bin. Diese Meinung ist bei mir so felsenfest verankert, dass sie nicht so
leicht zu verändern ist. Je mehr Gedanken ich mir nach der Sitzung darüber
machte, desto klarer wurde mir, dass das ein entscheidender Auslöser für
meine schlechten Gefühle sein kann.
Die Methode, die Dr. Mück
vorschlug war die, gezielte Verhaltensübungen zu machen. Die Dinge, die er
vorschlug, waren für mich zunächst fast nicht vorstellbar. Ich sollte
meinem Kollegen beim nächsten Mal, wenn ich ihm angespannt gegenüber
sitze, einfach sagen, dass das ich mich angespannt fühle. Auch meinem
besten Freund sollte ich mich öffnen, für mich bedeutete das schon ein
coming out.
Ich habe es aber getan,
ich will einfach etwas verändern und nicht mehr unter meinen Schamgefühlen
leiden. Ich habe mich meinem Kollegen und meinem Freund anvertraut, habe
ihnen viel über meine Probleme erzählt. Die Reaktionen waren absolut
positiv. Mein Kollege hatte sogar ein paar Tränen in den Augen und bot mir
jederzeit seine Hilfe an. Seitdem ist unser Verhältnis noch viel enger und
freundschaftlicher geworden. Es zeigte sich zwar, dass mein bester Freund
nicht die richtige Antenne hatte, was das für mich bedeutet, aber auch er
zeigte Verständnis und auf keinen Fall eine Ablehnung.
Ich konnte danach etwas
von der Therapie abschalten, freute mich aber auch auf die 2. Sitzung.
Zu Sitzung 2 |