Bericht einer 25-jährigen Patientin über die dritte Behandlungswoche
Die Woche nach der
„Seilbahn-Sitzung“ ging zunächst super weiter. Ich hatte einen Flug
gebucht, meine weiteren Bewältigungsaufgaben für diesen Tag erledigt und
war sehr stolz. Am nächsten Tag habe ich mich mit einer Freundin
getroffen. Ich fand es schön, einfach mal wieder unbeschwert und ohne
Ängste das Leben genießen zu können. Wir waren in der Stadt, ich fühlte
mich wohl, habe unterschrieben, was das Zeug hält und war glücklich. Zum
Abschluss des Tages gingen wir noch zusammen etwas essen. In dem
Restaurant fühlte ich mich jedoch plötzlich total unwohl. Ich merkte,
wie die Angst so langsam in mir hoch kam und ich zittrig wurde. Ich
versuchte, mich durch langsames Atmen zu beruhigen. Als dann die
Rechnung kam, hätte ich am liebsten bar bezahlt und wollte nur noch weg.
Doch ich habe mir gedacht: In dieses alte Muster fällst Du jetzt nicht
zurück! Ich habe mich gezwungen, mit Karte zu bezahlen und zu
unterschreiben, obwohl mir mein Zittern unangenehm war. Ich habe gar
nicht verstanden, warum ich auf einmal wieder Angst bekam, nachdem ich
doch schon so viel geübt hatte. So wollte ich das nicht auf mir sitzen
lassen und bin nach dem Essen noch zur Tankstelle gefahren, um erneut zu
unterschreiben - und ich hatte wieder Angst! Völlig deprimiert fuhr ich
nach Hause und schrieb Herrn Dr. Mück von den Erlebnissen des Tages. An
diesem Abend hatte ich kurzzeitig die Sorge, diese blöde Angst nicht
loszuwerden. Doch Herr Dr. Mück machte mir per E-Mail direkt Mut. Er
schrieb mir: „Das ist kein Grund zu ernster Sorge!“. Er erklärte mir,
dass ein Rückfall völlig normal sei und sogar gut, denn beim nächsten
Anlauf werde ich viel schneller erfolgreich sein. Vor dem Hintergrund
meiner Schilderung der Situation bemerkte er, dass nicht das
Unterschreiben selber, sondern eher die Situation beim Essen meine Angst
ausgelöst hätte und sich dann ungünstig auf das Unterschreiben
ausgewirkt habe. Ich dachte darüber nach und er hatte Recht. Am meisten
motiviert und aufgebaut hat mich jedoch seine „logische“ Erklärung für
meinen Rückschlag. Er verglich die Situation mit einem Sportler, der
einmal eine falsche Schlagtechnik erlernt hatte und kurzzeitig diese
unbewusst wieder angewandt hat. Ihm ist dies sofort klar, also macht er
direkt mit der neuen Schlagtechnik weiter. Das war für mich
nachvollziehbar und so erschien mir der Abend gar nicht mehr so
dramatisch.
Am nächsten Tag hat es dann
noch bis zum Nachmittag gedauert bis ich mich überwinden konnte, meine
Bewältigungsaufgaben anzugehen, doch am Ende des Tages war alles wieder im Lot
und das Unterschreiben war kein Problem mehr. Es macht so viel Freude, wenn
der eigene Wille wieder stärker wird als die Angst und ich kann jedem wirklich
nur eindringlich raten, seinen Ängsten ins Gesicht zu schauen und nicht zu
vermeiden. Ich weiß selber sehr, sehr gut, wie schwer der erste Schritt ist
und wie sehr es sich lohnt, diesen zu tun.
In meinem letzten
Erfahrungsbericht hatte ich mit den Worten aufgehört: „In der nächsten Sitzung
steigen Herr Dr. Mück und ich auf den Kölner Dom. Vielleicht werde ich noch
etwas Angst haben, aber dann atme ich halt eben bewusster“. Diese Sitzung
stand am nächsten Tag an. Was ich jedoch nicht bedacht habe, ist dass es recht
schwierig ist, seine Atmung zu „kontrollieren“, während man gerade 509 Stufen
hinaufsteigt. Natürlich kann aufgrund der Anstrengung kein Mensch „bewusst“
langsam atmen. Der Aufstieg war schrecklich. Ich hatte so eine Angst, dass ich
dachte, meine eigenen Beine würden mich nicht mehr tragen. Nach der engen
Wendeltreppe, in der man aus den Fenstern schon sehen konnte, wie es immer
höher wurde, kam das Allerschlimmste: Um zum höchsten Punkt zu gelangen, muss
man eine lange Stahltreppe hinaufsteigen, die in der Mitte des Turms steht. Da
der Turm auf beiden Seiten teilweise offen ist, hatte ich das Gefühl, in
dieser Höhe auch noch im Freien zu sein. Ich schaute dieses Treppengerüst
hinauf und sagte zu Herrn Dr. Mück: „Ob das wirklich notwendig sei?!?“. Herr
Dr. Mück bestand darauf und ich sagte ihm: „Jetzt gerade mag ich sie wieder
nicht!" (Stichwort: Gondelfahrt alleine). Und natürlich war ich insgeheim
wieder sehr glücklich, dass er darauf bestand.
Ich kann mich nicht daran
erinnern, dass ich jemals zuvor in meinem Leben so viel Angst hatte wie auf
dieser (für mich in diesem Moment unendlich langen) Stahltreppe. Da ich über
meine Atmung nichts machen konnte, habe ich mir in Gedanken beim Aufstieg
immer wieder einen Satz von meiner CD für Autogenes Training gesagt: „Ich bin
jetzt ganz ruhig und gelassen“. Mir ist natürlich total klar, dass es objektiv
überhaupt nichts gibt, wovor ich Angst haben müsste. Mir fehlt wohl noch das
Urvertrauen. Unterbewusst traue ich der Konstruktion der Treppe vielleicht
noch nicht, den Brettern, auf denen ich stehe und auch mir selbst. Als wir
endlich oben waren, fiel Herrn Dr. Mück auf, dass er seine Kamera vergessen
hatte und er bat mich darum, doch am Wochenende einige Bilder von hier oben zu
machen, um zukünftig seinen Patienten im Vorfeld Bilder vom Aufstieg zeigen zu
können. Mein erster Gedanke war: „Wer das vorher sieht, kommt nicht mehr mit“,
mein zweiter: „ICH SOLL HIER NOCHMALS RAUF?“. Zur Erinnerung: iIh hatte gerade
die größte Panik meines Lebens hinter mir! Doch im selben Moment wurde mir
auch klar, dass ich NATÜRLICH erneut auf den Dom steigen muss. Und vielleicht
sogar noch mehr als einmal, denn nur so wird die Angst ja weniger. Und mir ist
ja auch tatsächlich absolut gar nichts passiert! Ich bin sicher und heil
wieder unten angekommen. Diese Tatsache muss ich meinem Gehirn jetzt noch ein
paar Mal verdeutlichen, dann sind sich Verstand und Gefühl hoffentlich einig.
Nach dem Dom schlug Herr Dr.
Mück vor, noch schnell Seilbahn zu fahren, bevor wir die Sitzung beenden. Mir
war da schon alles egal, also hatte ich auch nichts mehr gegen den Vorschlag,
direkt alleine zu fahren. Das Seilbahnfahren war nach dem Domaufstieg schon
fast eine Erholung.
Meine Leistung habe ich so
richtig erst am Abend realisiert. Mein eigener Wille hatte es mir ermöglicht,
selbst die größte Panik zu überwinden. Und ich dachte mir, dass ist wirklich
super, was ich heute geschafft habe. Es stellte sich ein tolles Gefühl ein.
So war mein Wochenende auch
schön. Zu meinen Bewältigungsaufgaben zählte neben dem üblichen
Unterschreiben, unter Menschen gehen, etc. auch erneut mehrfaches
Seilbahnfahren und Dombesteigung. Ersteres war kein Problem, letzteres habe
ich auf heute verschoben. Als ich gestern am Dom war, war es total voll. Ich
wusste, dass ich bei meinem nächsten Aufstieg noch Zeit brauche und wollte
mich nicht durch drängende Menschen verunsichern lassen. Also bin ich heute
mit meinem Vater auf den Dom gestiegen. Ich hatte wieder totale Angst, meine
Beine haben mich kaum getragen und ich habe noch total gezittert, aber es war
besser als beim ersten Mal. Und ich bin wieder sicher unten angekommen! Es ist
gar nichts Schlimmes passiert. Vor meinem Flug gehe ich noch mal hoch und dann
wird es wieder etwas besser sein.
Zur vierten Woche |