Bericht einer 25-jährigen Patientin über die zweite Behandlungswoche
Nachdem die Woche zwischen der ersten und zweiten Sitzung so positiv
verlaufen war und ich meine täglichen Bewältigungsaufgaben immer wieder
lösen konnte, war ich auf der einen Seite sehr glücklich, auf der
anderen auch erschöpft. Jede neue Überwindung kostet am Anfang viel
Kraft und ich war, wie nach einer „richtigen“ Arbeitswoche, erledigt.
Schon
bei der erstmaligen Betrachtung meines Wochenarbeitsplanes für die erste Woche
hatte mir Herr Dr. Mück den Hinweis gegeben, ich solle auch für das Wochenende
kleinere Bewältigungsaufgaben einplanen, um nicht aus der Übung zu kommen. Ich
wollte mir jedoch einen freien Tag nach dem ganzen „Stress“ der ersten Woche
gönnen. Rückwirkend betrachtet habe ich mir selbst etwas vor gemacht, denn
eigentlich meinte ich damit: heute möchte ich vermeiden, um mal einen Tag ohne
„Adrenalinschübe“ zu haben. Und was war passiert: Ich war aus der Übung, hatte
wieder stärkere Angst, habe am nächsten Tag vermieden und kurzzeitig wieder an
mir selbst gezweifelt.
Herrn
Dr. Mück habe ich jedoch bewusst keine E-Mail gesendet, denn ich wollte sehen,
ob ich mich aus der kleinen Krise selbst befreien kann. Und das habe ich auch
geschafft, indem ich mich am Montag gezwungen habe, alle Bewältigungsaufgaben
zu erledigen, komme was wolle. Ich habe mir selbst immer und immer wieder an
diesem Tag gesagt, ich will keine Angst mehr haben und selbst wenn ich heute
noch beim Unterschreiben zittere, mir muss das jetzt egal sein. Am Ende des
Tages war es mir erstens egal und zweitens habe ich auch nicht mehr gezittert.
Herrn
Dr. Mück berichtete ich dann von meinem Wochenende per E-Mail. Er hat mich
gelobt, indem er mir u.a. schrieb: „Ihre Art, Schwierigkeiten (doch noch) in
den Griff zu bekommen, ist eindrucksvoll“. Das hat mich zusätzlich sehr
motiviert.
Die
Bewältigungsaufgabe „Unterschreiben“ war ohnehin ein Schwerpunkt für mich in
der zweiten Woche. Und mittlerweile habe ich so oft vor anderen
unterschrieben, dass es mir jetzt fast gar nichts mehr ausmacht. Es ist
wirklich eine Frage der Übung. Man muss sich einer Situation nur oft genug
aussetzten, dann verschwindet die Angst.
Auch
habe ich wieder fast jeden Tag Ausdauersport gemacht. Zusätzlich habe ich mir
eine CD mit Anleitungen zum Autogenen Training gekauft und so mindestens 20
Minuten am Tag „bewusst“ entspannt.
Auch hat
mir der tägliche E-Mail-Kontakt mit Herrn Dr. Mück wieder sehr geholfen. Ich
fühle mich im Hinblick auf meine täglichen Bewältigungsaufgaben viel mehr mir
selbst gegenüber verpflichtet, diese gut zu erledigen, denn am Ende des Tages
sehe ich meine Leistungen schwarz auf weiß vor mir. Und ich möchte, dass ich
dann stolz auf mich sein kann. Gleichzeitig hat mir Herr Dr. Mück immer wieder
weitere Anregungen gesendet. Vor allem im Hinblick auf meine Angst vor
Präsentationen hatte er viele Ideen in Bezug auf mögliche Situationen, in
denen ich „üben“ kann. Im Hinblick auf meinen dritten Wochenarbeitsplan
schrieb er mir dann: „Im Arbeitsplan steht leider nichts von Bemühungen um
Präsentationsmöglichkeiten, sei es VHS, Uni, Messejob, Stadtführungen o.ä: wie
kommt es?“ Er hatte mich dabei ertappt, wie ich diese Bewältigungsaufgabe noch
vor mir her schob. Jetzt bemühe ich mich intensiv darum.
In der
dritten Sitzung sind wir mit der Gondel insgesamt sechs Mal über den Rhein
gefahren. Die erste Fahrt war so schrecklich, dass ich dachte: „warum tue ich
mir das an?“. Gleichzeitig wusste ich ja in Bezug auf das Unterschreiben, dass
die Angst wirklich mit jedem Mal weniger wird. Auch hat mir Herr Dr. Mück
direkt Tipps gegeben, um meine Angst unmittelbar zu dämpfen. Ich solle mich
erstmal entspannt hinsetzen und ganz ruhig atmen. Und es hat tatsächlich
funktioniert. Durch die langsame Atmung wurde mein Herzschlag langsamer und
die Panik verflog. Während der sechsten Fahrt sagte ich zu Herrn Dr. Mück:
„also, jetzt ist es mir wirklich egal, dass ich in dieser Gondel sitze“.
Diese
Erfahrung war für mich sehr wichtig und hat meine Einstellung zur Angst extrem
relativiert. Ich habe in einem komprimierten Zeitraum erfahren, dass die Angst
wirklich aufhört, je öfter ich etwas mache. Und noch viel wichtiger:
aufkommende Panik kann ich durch ruhige Atmung selber im Keim ersticken.
Im
Hinblick auf das baldige Schließen der Seilbahn (Winterpause) schlug Herr Dr.
Mück vor, dass wir uns zusätzlich am Anfang dieser Woche treffen und erneut
Seilbahn fahren. Zwischenzeitlich sollte ich mit meinem Vater zusammen
Seilbahn fahren. Das habe ich auch getan. Herr Dr. Mück hat mir jedoch gesagt,
dass ich in diesem Zusammenhang trotzdem noch „Vermeidungstendenzen“ gezeigt
habe. Es wäre durchaus möglich gewesen, an zwei Tagen mit der Gondel zu fahren
und ich habe es nur an einem Tag getan. Er hatte Recht. Herr Dr. Mück hat mir
dann noch mal in aller Deutlichkeit gesagt, dass ich mich nur von meiner Angst
befreien kann, wenn ich mich mit der Situation so oft wie möglich
konfrontiere.
Herr Dr.
Mück hatte mir schon während unserer ersten Gondelfahrt-Sitzung gesagt, dass
wir im Rahmen der nächsten Sitzung auch mal in getrennten Gondeln fahren
würden. Ich habe dies daraufhin verdrängt, denn der Gedanke versetzte mich in
Panik. Aber ich wusste: heute muss ich da jetzt durch. Ich habe zwar versucht,
dies noch durch Ausreden abzuwenden, aber Herr Dr. Mück bestand darauf. Ich
sagte zu ihm: „jetzt gerade mag ich Sie gar nicht“, aber insgeheim war ich
sehr dankbar, dass er mich so unter Druck setzte. Und es war auch tatsächlich
halb so schlimm. Ich würde jetzt übertreiben, wenn ich sagen würde, dass ich
entspannt die Aussicht genossen habe. Ich war angespannt, aber über meine
Atmung konnte ich auch alleine aufkommende Angst kontrollieren. Ich bin
insgesamt drei Mal alleine gefahren und ich bin jetzt mächtig stolz auf mich.
Heute habe ich dann einen Flug für das nächste Wochenende gebucht! Vor einer
Woche hätte ich das im Traume nicht gedacht. Und ich freue mich sogar ein
wenig darauf.
In der
nächsten Sitzung steigen wir auf den Kölner Dom. Vielleicht werde ich noch
etwas Angst haben, aber dann atme ich halt eben bewusst langsamer. Ich weiß ja
jetzt, dass ich noch aufkommende Angst so kontrollieren kann.
Zur dritten Woche |