Praxis für
Psychosomatische Medizin u. Psychotherapie, Coaching, Mediation u.
Prävention
Dr. Dr. med. Herbert Mück (51061 Köln)
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Vielleicht fällt es Ihnen sehr schwer, sich auf diesen Text zu
konzentrieren, weil Sie noch voller Wut, Traurigkeit und Verzweiflung über
die „Untreue“ eines für Sie wichtigen Menschen sind. Vielleicht sollten
Sie die folgenden Zeilen und Gedanken lieber zu einem späteren Zeitpunkt
lesen. Dann hat sich Ihr verständlicherweise aufgeregtes Gemüt zumindest
etwas beruhigt und Sie verspüren möglicherweise den Wunsch, aus der
verfahren erscheinenden Situation vielleicht doch noch „das Beste“ zu
machen. Seien Sie versichert, dass dieser Text nichts „schönreden“ will
oder Ihren Kummer und Schmerz nicht ernst nimmt! Die Untreue eines
geliebten Partners gehört zweifelsfrei zu den schmerzhaftesten
zwischenmenschlichen Erfahrungen und lässt sich nicht allein durch ein
paar Worte wieder aus der Welt schaffen.
Ein Weiteres sei ebenfalls
vorweg klar gestellt: Es gibt kein Globalrezept dafür, wie man am besten
mit der Untreue eines Ehe- oder Beziehungspartners umgehen sollte. Die
Umstände, unter denen es zu einem „Fremdgehen“ („Seitensprung“, „Untreue“)
kommen kann, sind viel zu unterschiedlich. Das Problem beginnt in aller
Regel schon bei der Definition: Bin ich schon untreu, wenn ich einer
Person des anderen Geschlechts lediglich auf der Straße nachblicke oder im
Traum mit jemandem schlafe, der nicht mein Partner ist, oder bereits
alkoholisiert im Karneval jemanden entzückt küsse? Ist es untreu, wenn ich
„NUR“ einen One-Night-Stand mit jemandem habe, von dem ich weder Name noch
Adresse kenne, ansonsten aber meinen Partner liebe und diesen auf keinen
Fall verlieren möchte? Gehe ich schon fremd, wenn ich mich mit jemandem
lieber unterhalte als mit meinem Partner? Ist jeder Flirt schon ein Akt
der Untreue?
Was vielleicht ein wenig
weiterhilft ist das Bewusstsein, dass unser Erleben von „Untreue“ und
„Fremdgehen“ stark von unseren meist kulturell geprägten Vorstellungen und
Bewertungen abhängt. Tatsache ist, dass es in der heutigen Welt nach wie
vor Kulturen gibt, wo es akzeptiert ist oder als normal gilt, wenn ein
Mensch zu mehreren Personen des anderen Geschlechts gleichzeitig sexuelle
Beziehungen unterhält. Auch dort werden die Menschen alt und leben
möglicherweise genauso zufrieden, wie wir es tun. Nicht zuletzt gab und
gibt es Kulturen, in denen das Fremdgehen vor allem von Männern so lange
akzeptiert wird, als der Mann damit hauptsächlich seinem Trieb folgt und
weiter zu seiner Frau und Familie steht.
Und noch ein weiterer Gedanke:
Sehr oft hat unser Erleben von Untreue, Seitensprüngen und Fremdgehen sehr
viel damit zu tun, wie wir diesen Vorgang persönlich bewerten. Und das
Ergebnis kann von Mensch zu Mensch sehr verschieden ausfallen, was auch
die Vielzahl dafür verfügbarer Begriffe andeutet. So glaubt der eine
Mensch, darin die Bestätigung eigener Selbstzweifel zu sehen, nämlich
unattraktiv und uninteressant zu sein. Dagegen interpretiert ein anderer
den Vorgang als Versuch des Partners, ihn zu bestrafen oder ihm „eins
auszuwischen“ oder ihn oder sie zu zwingen, künftig wieder gemeinsam mehr
Sex zu haben. Wieder ein anderer sieht darin den erneuten Beweis dafür,
dass man sowieso keinem Menschen trauen kann, dass der andere immer schon
ein Lügner war und dass alle Menschen nur Egoisten sind. Wieder ein
anderer sieht sich in der Sicht bestätigt, dass es das Schicksal schon
immer schlecht mit ihm oder ihr gemeint hat. Wieder ein anderer sieht in
dem Vorgang den klaren Appell, endlich mit unterwürfigem und alles
tolerierendem Verhalten aufzuhören. Wieder ein anderer sieht genau die
gegenteilige Herausforderung, nämlich sich endlich auch anzupassen, usw.
So vielfältig wie diese Bewertungen sind, so vielfältig und speziell
müssten letztendlich auch die entsprechenden Verhaltensempfehlungen sein.
Bitte vergessen Sie ein Weiteres nicht: Erfahrung von „Untreue“ ruft in
uns automatisch immer auch alle früheren Erfahrungen von „Untreue“,
„Verrat“ und mangelndem „Verlass“ wieder wach. Das ist uns aber meist
nicht bewusst. Wenn wir dann den anderen „anklagen“, hört dieser (ohne es
in der Regel zu wissen), zwischen den Zeilen immer auch die noch nicht
erledigten Anklagen seiner „Vorgänger“ mit. Durch solche Formen der
unbewussten Massenanklage kann sich die Situation dramatisch zuspitzen.
Und nicht zuletzt spielt auch die Sicht des „Untreuen“ eine Rolle. So mag
es durchaus einen Unterschied machen, wenn dieser sagt, „er sei gar nicht
untreu gewesen“, weil er oder sie nach wie vor nur den Partner liebt und
mit diesem zusammenbleiben will und unter Alkoholeinfluss „nur
ausnahmsweise entgleist“ sei.
Sicher weitaus schwieriger ist
die Situation, wenn der fremdgehende Partner einräumt, die andere Person
auch oder sogar noch mehr zu lieben. Da in unserem Kulturkreis „Liebe“ als
entscheidende Grundlage von Ehe und anderen intimen Partnerschaften gilt,
leuchtet ein, warum die Beziehung als derart bedroht erlebt wird, wenn
gerade das Element der Liebe in Frage gestellt ist. Im Hinblick auf einen
einigermaßen realistischen Umgang mit „Liebe“ hilft es vielleicht, sich
bewusst zu machen, dass „Liebe“ (die von Person zu Person auch sehr
unterschiedlich erlebt und beschrieben werden kann!) selten rund um die
Uhr (also 24 Stunden lang) aktiv gelebt und gespürt werden kann. Mit
anderen Worten: Oft sind unsere Erwartungen an und Vorstellungen von Liebe
überzogen, so dass zwangsläufig Leiden entstehen muss, weil Vorstellung
und Wirklichkeit auseinanderklaffen. Auch sollte man sich immer wieder
eingestehen, dass „man in jeder Beziehung ein anderer ist“. Keiner von uns
kann es seinem Partner ermöglichen, alle seine Potenziale, Wünsche und
Träume in ein und derselben Beziehung auszuleben. Wir können uns
gegenseitig in der Regel immer nur in bestimmten Hinsichten „ermöglichen“.
Vor diesem Hintergrund wird deutlich, warum wir lebenslang „anfällig“
bleiben, von weiteren Beziehungen (potenziellen Partnern) angezogen zu
werden. Denn die Hoffnung, sich bislang unerschlossene Potenziale und
Erlebnismöglichkeiten doch noch zu eröffnen, hält lebenslang an.
Sich-Einander-Öffnen setzt eine starke
Verankerung in sich selbst voraus!
Tatsache ist, dass die Welt nach dem Fremdgehen eine andere ist als vor
dem Fremdgehen. Der verletzte Partner mag zwar glaubhaft vergeben können,
aber ein Vergessen des Vorfalls wird vielen Betroffenen vermutlich nie
mehr oder nur noch sehr schwer möglich sein. Deswegen raten viele
Paartherapeuten dazu, einmalige „versehentliche“ Ausrutscher eher nicht
dem Partner zu beichten. Für eine (durchaus hilfreiche!) „Beichte“ sollte
man sich lieber einen unabhängigen Ansprechpartner (Psychotherapeut, Arzt.
Seelsorger) suchen. Umgekehrt sollte sich der „Betrogene“ ebenfalls
fragen, ob er seine Erfahrung mit vielen anderen Menschen teilen möchte.
Denn diese werden den „Untreuen“ künftig zumindest teilweise immer auch
durch die Brille dieser Erfahrung wahrnehmen, selbst wenn sich die
Beziehung zwischen Betrüger und Betrogenem wieder verbessert. Denn wir
Menschen sind immer auch diejenigen, die andere in uns sehen.
Bewusst war im letzten Absatz die Rede von
„Betrüger“ und „Betrogenen“. Diese Begriffswahl soll verdeutlichen, was
bei jeglichem Fremdgehen IMMER auch erschüttert wird: Das Grundvertrauen
in Beziehung bzw. in den Anderen. Den „Betrogenen“ geht es oft so, dass
sie sich wie Hochseilakrobaten fühlen, die sich bislang zu 100 Prozent
darauf verlassen konnten, beim Sprung in die Arme des anderen auch
zuverlässig aufgefangen zu werden, und denen plötzlich genau dieses
Vertrauen plötzlich fehlt. Kaum jemand wird sich vor diesem Hintergrund
noch „fallen lassen können“. Besonders hart betroffen sind Menschen, bei
denen das Grundvertrauen schon immer nur schwach ausgeprägt war.
Interessanterweise fällt dann häufig die Formulierung „Ich kann mich nicht
mehr verlassen“. Wortwörtlich steckt darin die Mitteilung, dass der
Sprecher sich nunmehr (wieder) an sich selbst klammern muss. In von
Vertrauen getragenen Beziehungen kann man dagegen „von sich selbst lassen“
(sich verlassen) bzw. auf den anderen einlassen.
Vielleicht am aller
hilfreichsten ist an dieser Stelle der Hinweis, dass „Vertrauen in eine
Beziehung“ möglichst nicht bedeuten sollte, dass die Beziehung
„unerschütterlich bleibt“. Eine solche Beziehung wirkt eher tot als
lebendig. Lebensnäher und konstruktiver ist eine Definition, die besagt,
dass „Vertrauen in Beziehung“ bedeutet, über ein durch Erfahrung
gestütztes „Sicherheitsgefühl“ zu verfügen. Dieses Gefühl verleiht die
Gewissheit,
dass es immer und immer wieder gelingen wird, eine noch so gestörte
Beziehung erneut herzustellen. Jede erfolgreiche Bewältigung einer
gravierenden Störung wird unweigerlich das „Vertrauenskapital“ einer
Beziehung vermehren und damit ein echtes „Sicherheitspolster“ erzeugen.
Dazu bedarf es natürlich des offenen und
authentischen Gesprächs, bei dem es nicht länger um Vorwürfe,
Beschuldigungen und Rechtfertigungen gehen darf. Auf einer „Metaebene“
sollte sich das Paar darüber austauschen, welche „Erfahrungen“ jeder durch
das Fremdgehen und die gemeinsame Auseinandersetzung gemacht hat, um
daraus für die Zukunft zu LERNEN. Oft hilft es, sich an die Kompetenzen zu
erinnern und diese bewusst erneut zu nutzen, mit denen das Paar schon
frühere schwierige Situationen gemeistert hat. Am Ende eines solchen
Gesprächs könnte dann eine Vergebung durch den „Betrogenen“ und ein
gemeinsames „Versöhnungsritual“ stehen.
BUCHTIPP:
Glas, Shirley P.:
Die Psychologie der Untreue. Klett-Cotta 2015. ISBN
978-3-608-98047-9. 448 Seiten. Euro 24,95
Wer für spirituelle Anregungen offen ist, dem
kann im Hinblick auf das Thema „Untreue“ sicherlich auch folgendes
Beispiel aus der Bibel (Johannes 8, 3 – 11) zumindest etwas helfen:
Die
Schriftgelehrten und die Pharisäer aber bringen eine Frau, die beim
Ehebruch ergriffen worden war, und stellen sie in die Mitte und sagen zu
ihm: Lehrer, diese Frau ist auf frischer Tat beim Ehebruch ergriffen
worden. In dem Gesetz aber hat uns Mose geboten, solche zu steinigen. Du
nun, was sagst du? Dies aber sagten sie, ihn zu versuchen, damit sie etwas
hätten, um ihn anzuklagen. Jesus aber bückte sich nieder und schrieb mit
dem Finger auf die Erde. Als sie aber fortfuhren, ihn zu fragen, richtete
er sich auf und sprach zu ihnen: Wer von euch ohne Sünde ist, werfe zuerst
den Stein auf sie. Und wieder bückte er sich nieder und schrieb auf die
Erde. Als sie aber [dies] hörten, gingen sie einer nach dem anderen
hinaus, angefangen von den Ältesten; und er wurde allein gelassen mit der
Frau, die in der Mitte stand. Jesus aber richtete sich auf und sprach zu
ihr: Frau, wo sind jene? Hat niemand dich verurteilt? Sie aber sprach:
Niemand, Herr. Jesus aber sprach zu ihr: So verurteile auch ich dich
nicht. Geh hin und sündige nicht mehr!
Verhaltensvorschläge:
1.Machen Sie sich bewusst, dass
reine „Anklagen“ meist nicht weiterführen. Oft mischen sich in diese
„Anklagen“ zudem „Vorverletzungen“, für die der heutige Täter nicht
verantwortlich zeichnet. Dadurch sieht er sich oft einer „Massenanklage
ausgesetzt, die alle Beteiligten überfordert. Anklagen provozieren
„Rechtfertigungen“ und fördern damit selten Lösungen.
2.Fragen Sie sich, ob Ihnen
weiterhin an dem Partner liegt und ob Sie die Beziehung fortsetzen wollen.
Haben Sie noch ausreichend starke Gefühle für den anderen? Wenn dies der
Fall ist, werden Sie am ehesten zueinander finden, wenn Sie sich auf der
„Metaebene“ begegnen. Vorher sollten Sie sich gegenseitig Ihre Wunden
gezeigt und beim anderen hoffentlich Verständnis gefunden haben.
3.Knüpfen Sie an erfolgreich
verlaufene früheren Auseinandersetzungen mit Ihrem Partner an. Was Sie
beide damals näher gebracht hat, wird voraussichtlich erneut wirken.
Teilen Sie sich zu Beginn des Gesprächs mit, was Sie weiterhin am anderen
sehr schätzen und nicht verlieren mögen (das verbindet!).
4.Einigen Sie sich gegenseitig
darauf, dass das „Untreue-Gespräch“ in einem „geschützten Raum“
stattfindet. Mit anderen Worten: Alles was Sie in diesem „geschützten
Raum“ dem anderen mitteilen, darf später nie gegen Sie verwandt werden! Es
wird künftig so getan, als sei das im
„geschützten Raum“ Gesagte nie
ausgesprochen worden. (siehe dazu ein eigenes Merkblatt).
5.Teilen Sie sich gegenseitig
diejenigen Bedürfnisse mit, deren Erfüllung für Sie wichtig ist, wenn es
mit der Beziehung weitergehen soll. Oft lassen sich anfänglich
widersprüchlich erscheinende Bedürfnisse doch miteinander vereinen.
6.Offenbaren und zeigen Sie sich
(nicht nur im „Untreue-Gespräch“!) gegenseitig noch mehr, zeigen Sie
insbesondere Ihre bislang unbekannten Seiten. Nach dem Motto „wer sich
zeigt, wird attraktiv“ gibt es dann weniger Grund, dem Reiz des Neuen in
Außenbeziehungen nachzugehen.
7.Überprüfen Sie Ihr Gefühl, ob
Sie dem Partner den „Fehltritt“ vergeben können. Tun Sie es dann aus
vollem Herzen und kramen Sie künftig nie mehr die „alte Geschichte“
hervor.
8.Versöhnen Sie sich durch ein
Ritual (beispielsweise indem Sie sich nochmals das Eheversprechen geben
oder zusammen schlafen). Feiern Sie Ihren „Erfolg“. Sie haben es erneut
geschafft, die Beziehung wiederherzustellen. Das Vertrauen auf diese
Fähigkeit ist weitaus „tragender“ als das Vertrauen darauf, dass eine
Beziehung ewig ungetrübt bleibt.
9.Täuschen Sie sich nicht darüber
hinweg, dass Ihr Gehirn (Gedächtnis) die Untreue-Erfahrung nicht so ohne
weiteres vergessen kann. Meistens wird es Sie beim geringsten Anlass
„warnen“ bzw. erinnern wollen (getreu dem Spruch „Gefährliche Situationen
vergisst man schon aus Sicherheitsgründen nicht“). Bedanken Sie sich in
diesem Fall bei Ihrem Gedächtnis für die freundliche Erinnerung und weisen
Sie Ihr Gedächtnis darauf hin, dass Sie sich bewusst entschieden haben,
Ihrem Partner erneut zu vertrauen. Dies wird Ihnen allerdings umso
schwerer fallen, je häufiger Sie mit Untreue Sie in Ihrem Leben bereits
konfrontiert waren. Wir Menschen tun uns oft sehr schwer darin, einem
anderen Menschen seinen grundsätzlichen Wandel abzunehmen (siehe eigenes
Merkblatt zum Thema
"Vertrauen in den Wandel").
10.Bauen Sie neues Vertrauen auf
mit Hilfe der Vorstellung, dass Ihr Partner mehrere
„Persönlichkeitsanteile“ hat, von denen vermutlich nicht alle gleichzeitig
fremd gegangen sind. Wenn Ihnen der Partner das versichert, können Sie ihm
glauben, dass Teile der Persönlichkeit Ihnen dauerhaft treu geblieben
sind, „die nunmehr wieder das Sagen haben“.
11.Lassen Sie sich in Ihrem
Selbstwertgefühl nicht erschüttern. Die Tatsache, dass sich Ihr Partner
einer anderen Person zugewandt hat, sagt nichts über Ihren Wert als Mensch
aus. Sofern sich aus der Untreue eines anderen überhaupt Rückschlüsse auf
Ihre Person ziehen lassen, kann es sich dabei nur um Hinweise auf Ihr
Verhalten und den Stand der Beziehung (das „Beziehungsleben“) handeln.
Literatur:
Krüger, Wolfgang: Das Geheimnis der Treue. Paare zwischen
Versuchung und Vertrauen. Herder 2012. ISBN 978-3-451-06496-8. 180
Seiten. Euro (D) 9,99, Euro (A) 10,30,
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