Viele Konfliktgespräche bleiben oberflächlich,
hinterlassen einen schalen Geschmack und führen zu Missverständnissen,
weil sich die Gesprächspartner nicht ausreichend mitteilen. Sie scheuen
sich, insbesondere solche Dinge auszusprechen, für die sie sich schämen,
die sie selbst noch nicht so ganz verstanden haben, von denen sie
befürchten, dass der andere verletzt sein könnte oder dass der andere sie
zu einer späteren Gelegenheit als Argument gegen sie selbst verwenden
könnte. Und die Sorge ist ja keineswegs unbegründet, dass manches Gesagte
für den Sprecher später einmal zum Bumerang werden kann. Dennoch kann die
Lösung nicht immer heißen, sich sicherheitshalber lieber dauerhaft zu
verschließen.
Als besondere Gesprächskultur haben sich
„geschützte Mitteilungen“ bewährt. Bei dieser Form des Gesprächs einigen
sich die Beteiligten darauf, dass alles Gesprochene eine Art dauerhafte
„Immunität“ erhält: Jeder darf also darauf vertrauen, dass die
mitgeteilten Gedanken, Gefühle und Impulse DAUERHAFT im vereinbarten
Schutzraum bleiben! Sie werden weder einem Dritten mitgeteilt noch zu
irgend einem späteren Zeitpunkt gegen den Sprecher gerichtet („Siehst du,
du hast ja schon damals so etwas gesagt!“).
„Geschützte Mitteilungen“ schaffen eine Art
besondere Realität, in der Gedanken und Fantasien gleichsam „ausprobiert“
werden können, ohne dass Gefahr droht. Die Situation ähnelt eher einem
„Traum“, in dem ja auch oft Rollen und Einfälle regelrecht ausprobiert
werden, ohne dass man befürchten muss, dass sich daraus reale Konsequenzen
ergeben.
Ein Beispiel für eine „geschützte Mitteilung“
könnte die Äußerung eines Ehemannes sein, der in diesem geschützten Rahmen
seiner Frau anvertraut, dass ihm als Reaktion auf eine ihrer
Verhaltensweisen plötzlich und erstmalig der Gedanke gekommen sei „Ich
trenne mich von dir“. Würde es sich nicht um eine „geschützte Mitteilung“
handeln, könnte jetzt eine Lawine ins Rollen kommen: Beleidigt und
verängstigt könnte die Ehefrau sofort „zurückschießen“ („Das habe ich ja
schon immer geahnt“ „Auf dich war noch nie Verlass“ „Na bitte, dann geh
doch!“). Im Rahmen einer solchen Eskalation würde nicht nur viel Porzellan
dauerhaft kaputt gehen, die Wahrscheinlichkeit wäre auch gering, dass das
Ehepaar wieder konstruktiv zusammenfindet.
Dagegen würde es die „geschützte Mitteilung“
den beiden Beteiligten erleichtern, mit der gebotenen Ruhe und Distanz
herauszufinden, was ein solcher Gedanke mit dem Sprecher bzw. der
Zuhörerin macht, was sich hinter dem Gedanken an weiteren Gedanken,
Gefühlen oder auch Wünschen verbirgt. Im Rahmen einer solchen „Aus-einander-Setzung“
ist die Wahrscheinlichkeit in aller Regel größer, dass die Betroffenen aus
den Mitteilungen lernen und neue konstruktive Formen des Zusammenlebens
entwickeln.
„Geschützte Mitteilungen“ sind eine hohe Kunst
und ihre Anwendung bedarf der Übung. Dauerhaft verbessern sie nicht nur
das Miteinander der Gesprächspartner, sie fördern auch automatisch
Selbstwahrnehmung und Selbsterkenntnis, die Entwicklung von Fantasie und
das Einnehmen exzentrischer Positionen (= Betrachtung der Szene wie auch
der eigenen Person „von außen“). Es ist wichtig, den Beginn und das Ende
der „geschützten Mitteilungen“ ausdrücklich gemeinsam zu vereinbaren und
die Zeitpunkte genau zu benennen. Auch hilft es, sich gegenseitig
zwischendurch immer wieder zu versichern, dass sich die Beteiligten weiter
im geschützten Raum bewegen, so dass aus dem Mitgeteilten keine Gefahr,
sondern allenfalls wichtige Einsichten und wertvolle Impulse erwachsen.
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