fzm - Viele Psychosen scheinen abrupt einzusetzen.
Doch wenn Menschen mit Schizophrenie wegen Wahnvorstellungen auffallen und
über Halluzinationen berichten, haben sie meistens schon viele Jahre an
abgeschwächten Formen der Erkrankung gelitten. Aus Angst, für "verrückt"
erklärt zu werden, suchen die wenigsten medizinische Hilfe auf, beklagt Diplom
Psychologe Harald Zäske vom Kompetenznetz Schizophrenie (KNS) in Düsseldorf in
der Fachzeitschrift "DMW Deutsche Medizinische Wochenschrift" (Georg Thieme
Verlag, Stuttgart. 2006).
Das KNS hat deshalb eine Hotline eingerichtet,
an das sich Betroffene oder ihre Angehörigen wenden können. Als äußerst
gefährdet gelten laut KNS Menschen, die schon mehrere Krisen durchlebt haben.
Die "Ultra-High-Risk"-Kriterien sind erfüllt, wenn sie dabei mindestens für
die Dauer einer Woche aufgefallen sind durch abstruse Beziehungsideen,
eigentümliche Vorstellungen oder veränderte Denk- oder Sprechweisen.
Bedenklich sind auch längere Phasen mit magischem Denken oder wenn die
Personen ungewöhnliche Vorstellungen oder paranoide Ideen äußern. Treten diese
Episoden gehäuft auf oder kommt es zu einem Leistungsknick in Schule oder
Beruf, gibt es enge Verwandte mit ähnlichen Störungen, dann steht häufig eine
echte Schizophrenie bevor: Bei einem Drittel bis der Hälfte der Patienten
folgt die Diagnose innerhalb eines Jahres.
Das KNS untersucht jetzt, ob den Patienten in
dieser "Prodromi"-Phase durch eine frühzeitige Therapie geholfen werden kann.
In einer Studie verzichten sie sogar auf die sonst üblichen Medikamente. Ein "Vulnerabilitäts-Stress-Bewältigungs-Modell"
soll den Patienten helfen, ihre Alltagsprobleme in den Griff zu bekommen und
nach Hoffnung der Mediziner den Ausbruch der Psychose zu verhindern. Auch am
Therapiezentrum FETZ in Köln werden frühzeitige Therapien vor Ausbruch der
Krankheit angeboten. Diese werden von den Patienten meistens dankbar
angenommen, sagt die wissenschaftliche Leiterin Dr. Frauke Schultze-Lutter
gegenüber der DMW. Denn solange die Psychose noch nicht ausgebrochen sei,
bestehe bei vielen Menschen die Einsicht, dass sie ein ernsthaftes Problem
haben. Später sei dies oft nicht mehr der Fall.
I. Schulze-Hanke:
Schizophrenie: Früherkennung bedeutet Lebensqualität
DMW - Deutsche Medizinische Wochenschrift 2006; 131 (34/35): S. 1847-1848 |