Das uns bekannte Universum besteht weitestgehend aus
„natürlichen“, von der Evolution geformten Systemen. Darüber hinaus sind durch das Wirken
des Menschen von ihm „konstruierte“ Systeme entstanden. Es wird inzwischen
deutlich, dass die Funktionsweisen und Wechselwirkungen vieler dieser Systeme unser Verständnis
überfordern. Systemtheoretische Ansätze ermöglichen eine neue Qualität
der Analyse hochkomplexer lebender Systeme. Dadurch besser beobachtbare
systemkonstituierende und systemerhaltende Zusammenhänge können genutzt werden, um geeignete
Interventions- und Steuerungsmethoden zu entwickeln.
⇒ Mannschaftsfußball entsteht und lebt durch das
koordinierte, in seinem Verlauf jederzeit offene Zusammenspiel seiner innerhalb den Regeln des Spiels
autonomen Spielerspezialisten. „Überleben“, d.h. gewinnen, wird eine Mannschaft dabei
nur, wenn sie mit adäquater Geschwindigkeit und Dynamik auf den jeweiligen Gegner
reagieren und einwirken kann. Es wäre unmöglich, einen Spielverlauf von „außen“ zu
dirigieren. Denn vor allem im Moment des Spiels ist niemand auf dem Platz außer den Spielern
selbst. Ihr Können sowie die Harmonie, Dynamik und Effizienz ihres „selbstorganisierten“
Zusammenspiels entscheiden ganz allein über Erfolg oder Misserfolg. Die Außenlinie zieht hier eine
klare Grenze, selbst für die Trainer: Intervention kann im Wesentlichen nur noch über das
Auswechseln von Spielern erfolgen. Die besten Anregungen und Ideen können somit lediglich
dann im Spiel aufgehen, wenn sie von den Spielern aufgenommen und verstanden werden.
Ausschließlich was sie verstehen und dann im Rahmen ihrer Möglichkeiten umzusetzen vermögen, wird
die Qualität ihres Zusammenspiels und somit den Grad des Spielniveaus bestimmen, den eine
Mannschaft erreichen kann.
Wir müssen lernen, über welche Kanäle Impulse ins
System gelangen können und gleichzeitig mit Demut dessen Souveränität bezüglich der
Aufnahme und Umsetzung anerkennen.
Damit zeigen uns die bisherigen Erkenntnisse der
Systemtheorie auch die Grenzen von Intervention und Steuerung auf. Wir können Systeme
lediglich anregen, niemals
jedoch deterministisch lenken.
Nur wer es versteht, die innere Entscheidungsfreiheit von lebenden Systemen zu respektieren wird ihre zentrale Qualität
erhalten und dennoch dauerhafte Veränderungen über die Mobilisierung von selbstinduziertem
Wandel bewirken.
⇒ Konsequentes deterministisches Eingreifen auf den beiden
Seiten des Spielfeldes würde bedeuten, dass Mannschaftsfußball auf Tischfußball
reduziert wird. Der Unterschied zwischen 22 Holzfiguren und 22 lebenden
Spielern verdeutlicht die enorme Differenz an möglicher Offenheit, Dynamik und Vielfalt,
die den Qualitätsunterschied zwischen den beiden (Spiel-)Systemen ausmacht. Außerdem leuchtet ein, dass gegen eine frei aufspielende
Mannschaft mit deterministischer, vom Spielfeldrand aus erfolgender Steuerung wenig auszurichten
sein dürfte.
Wer ein lebendes System deterministisch
lenken will, schwächt oder zerstört sogar dessen zentrale Qualität, die sich erst durch ein
selbstorganisiertes Zusammenwirken seiner spezialisierten Elemente entwickeln und voll entfalten
kann.