Für viele Menschen ist die
Diagnose „Parkinson-Krankheit“ ein Schock, weil sie sich darunter etwas
Schreckliches vorstellen. Auch wenn es nach wie vor eine schwierige
Krankheit ist, hat sie doch dank des medizinischen Fortschritts einen
erheblichen Teil ihrer Probleme verloren. Mittlerweile gehört sie zu den
am besten zu behandelnden neurologischen Leiden. So haben
Parkinson-Kranke inzwischen wieder eine normale Lebenserwartung und
große Aussichten, durch eine genau auf sie abgestimmte medikamentöse
Behandlung über Jahre hinweg beschwerdefrei zu leben. Dies gilt für
viele anderen Erkrankungen nicht! Und selbst bei komplizierteren
Verläufen gibt es Mittel und Möglichkeiten, die Situation akzeptabel zu
gestalten. Dennoch ist es wichtig, von Anfang an den typischen
Verlauf zu kennen, um sich langfristig auf typische Herausforderungen
einzustellen und sich Enttäuschungen zu ersparen. So ist damit zu
rechnen, daß die Krankheitserscheinungen trotz der meist eindrucksvollen
Besserungen nach drei bis acht Jahren erneut auftreten und dann
schwieriger zu behandeln sind. Wie „gutartig“ der Krankheitsverlauf in
Ihrem Fall ist, läßt sich meist schon nach zweijähriger Beobachtung
beurteilen.
Der erste wichtige Schritt,
die Krankheit anzunehmen, besteht darin, sich ausreichend über Ursachen,
Auswirkungen und Behandlungsmöglichkeiten zu informieren. Suchen Sie
sich vor allem einen Arzt, der sich gut in der Behandlung von
Parkinson-Patienten auskennt. Gezielte Auskünfte zum Krankheitsbild und
zu nützlichen Anlaufadressen erhalten Sie von der dPV (Deutsche
Parkinson Vereinigung - Bundesverband - e.V., Moselstraße 31, 41464
Neuss, Telefon 02131/41016 und 41017, Fax 02131/45445), die Sie auch auf
Ratgeberbücher hinweisen kann.
Die meist relativ
preiswerten Ratgeber sind einfühlsam und gut verständlich geschrieben.
Da der Morbus Parkinson ein Dauerbegleiter ist und die Lebensführung
erheblich beeinflußt, lohnen sich Anschaffung und Lektüre auf jeden
Fall. Sehr hilfreich sind meist auch die kompakten Broschüren, welche
Hersteller von Anti-Parkinson-Medikamenten zur Ergänzung ihrer Produkte
meist kostenlos zur Verfügung stellen.
Es hat sich gezeigt, daß Parkinson-Betroffene
besser mit ihrer Erkrankung zurechtkommen, wenn sie dazu stehen und
darüber sprechen können. Reden Sie daher mit anderen Menschen über Ihre
Erkrankung und klären Sie andere auf, gerade auch wenn Sie sich dazu
überwinden müssen. Entwickeln Sie Strategien dafür, wie Sie mit
Unverständnis und Unsicherheit Ihrer Umgebung besser umgehen können
(etwa wenn Sie angestarrt werden). Zögern Sie bei Bedarf nicht, die
Kassiererin im Supermarkt auf ihre Erkrankung hinzuweisen und sie zu
bitten, das Kleingeld aus Ihrem Portemonnaie herauszunehmen. Nehmen Sie
anderen Menschen die Sorge, Parkinson könnte ansteckend sein (was nicht
stimmt).
Viele Parkinson-Kranke
befürchten, dass sie durch ihre Symptome in der Öffentlichkeit
auffallen. Aufgrund ihrer Sorge „verkrampfen“ sie sich und tragen so
dazu bei, daß das Gefürchtete erst recht eintritt.
Manche Parkinson-Kranke setzen sich selbst unter
Druck, weil sie sich zuviel vornehmen und ihnen die Zeit dann wegläuft.
Beugen Sie einer solchen Situation vor, indem Sie die geplanten
Aktivitäten mit ihrer voraussichtlichen Dauer auflisten und dann deren
Wichtigkeit mit Noten bewerten. Sobald Sie in Zeitmangel geraten,
streichen Sie einfach die unwichtigste Aktivität.
Viele Parkinson-Kranke machen sich durch ihr
Denken das Leben selbst schwer, etwa in Form von Selbstgesprächen wie:
„Ich darf nicht zittern.“ oder „Ich muß schnell und ohne aufzufallen
bezahlen“ oder „Ich muß pünktlich sein“. Solche Aussagen sind oft völlig
unvernünftig, da Zittern nicht verboten ist, es keine Vorschrift darüber
gibt, innerhalb welcher Zeit man bezahlt haben muß, und man keineswegs
immer auf die Minute genau am Ziel sein muß. Gesündere
Betrachtungsweisen sind „Andere brauchen auch länger“ und „Wenn ich
anfange zu zittern, entspanne ich mich erst einmal“. „Ich darf mich auch
verspäten.“
Häufig neigen
Parkinson-Kranke dazu, sich aus wichtigen Alltagsgeschäften
zurückzuziehen. Sie befürchten die Kritik der anderen, die sich durch
das langsam und umständlich wirkende Verhalten der Patienten „genervt“
fühlen und möglicherweise mit abschätzigen Bemerkungen reagieren. Sie
tun sich selbst keinen Gefallen, wenn Sie gleichsam kampflos die Fahnen
strecken. Überzeugen Sie sich lieber davon, daß sich viele
Alltagssituation mit etwas Einfallsreichtum sehr gut meistern lassen.
Beispiel: Sie befürchten, daß Sie an einer Kasse mit zittrigen Händen
ihr Portemonnaie nicht mehr öffnen können und die Leute hinter Ihnen
ungeduldig werden. Lösungsvorschläge: 1. Prüfen Sie, ob es nicht
Portemonnaies gibt, die sich besonders leicht öffnen lassen. 2. Üben
Sie, sich trotz allem Zeit zu nehmen. 3. Sagen Sie bei Bedarf:
„Entschuldigen Sie, aber ich kann bei einem solchen Andrang nicht in
Ruhe zahlen. Ich warte, bis die Schlange durch ist.“ Oder sagen Sie 4.
„Ich habe Parkinson und brauche leider etwas länger.“
In Anwesenheit mehrerer
Menschen (etwa beim Arztbesuch) neigen Parkinson-Kranke dazu, ihren
Angehörigen das Reden und Antworten zu überlassen. Verzichten Sie auf
diesen scheinbar einfacheren Weg. Anderenfalls werden Sie in den Augen
der anderen zur hilflosen Person. Bitten Sie vielmehr entschieden darum,
selbst mitreden und entscheiden zu dürfen, wenn Ihre Umwelt beginnt,
über Ihren Kopf hinweg zu verhandeln.
Manche Parkinson-Patienten
lassen sich durch Berichte verunsichern, die behaupten, daß
Parkinson-Kranke gehäuft an einer Demenz erkranken. Ein solcher
Zusammenhang ist jedoch keineswegs gesichert. Parkinson-Patienten
verlieren nicht ihren Intellekt, sie nutzen ihn lediglich langsamer. Den
Tempoverlust im Vergleich zu jüngeren Menschen können die Betroffenen
oft durch ihre meist größere Lebenserfahrung ausgleichen.
Kranke und/oder alte
Menschen leiden häufig darunter, dass sie sich weiterhin streng an
Vorstellungen orientieren, die vielleicht für frühere Lebenssituationen
angemessen gewesen sein mögen. Unzufriedenheit und ein sinkendes
Selbstwertgefühl sind die Folge. Jeder Lebensabschnitt wie auch
dauerhafte Erkrankungen rechtfertigen aber ihre eigenen Regeln. Fragen
Sie sich daher, ob es wirklich nötig ist, jeden Tag Staub zu saugen, in
der gewohnten Häufigkeit die Gardinen zu waschen oder auf ein ständig
blinkendes und blitzendes Bad zu achten. Gäste müssen keineswegs
komplett rundum versorgt werden: Viele Gäste genießen es, sich an der
Essensvorbereitung und dem anschließenden Aufräumen beteiligen zu
können. Geselligkeit muß nicht unbedingt mit einem Festmenü verbunden
sein; die Einladung auf eine Tasse Kaffee lässt oft sehr viel mehr Zeit
zum entspannten Gespräch. Nicht zuletzt liegt es mittlerweile im Trend,
Einladungen unter dem Motto auszusprechen „Jeder bringt etwas mit“.
Die Erfahrungen vieler
Betroffener lehren, dass es wenig Sinn macht, die Parkinsonsche
Erkrankung zu „bekämpfen“, da sie zu einem untrennbaren Begleiter des
eigenen Lebens geworden ist. Meistens fährt man besser, wenn man sich
mit ihr „arrangiert“ und aus der Situation das Beste macht.
Lassen Sie sich nicht durch Erzählungen und
Berichte vom Verlauf der Parkinsonschen Erkrankung bei anderen unnötig
beunruhigen („Bei meinem Mann funktionierte das anfangs auch, aber
dann...“). Der Morbus Parkinson entwickelt sich bei jedem Betroffenen
individuell, was Sie schon daran nachvollziehen können, dass er bei
einigen Menschen sehr früh und bei anderen dagegen erst sehr spät in
Erscheinung tritt. Finden Sie lieber heraus, welche Besonderheiten für
Sie gelten.
Neue wissenschaftliche
Untersuchungen zeigen, dass Angehörige Parkinson-Kranker allenfalls
geringfügig häufiger von dem gleichen Leiden betroffen sind. Dies kann
damit zusammenhängen, dass die Krankheit in solchen Familien früher und
häufiger erkannt wird, weil sich die Beteiligten damit schon gut
auskennen. Grundsätzlich gilt, daß die Parkinson-Krankheit im engeren
Sinne nicht erblich ist. Sie müssen also nicht befürchten, dass Ihre
Kinder auch an Parkinson erkranken werden. Die Wahrscheinlichkeit dafür
liegt nur bei 1 zu 1.000. Das gilt unabhängig davon, ob
Familienangehörige erkrankt sind oder nicht.
Bei rund der Hälfte aller Parkinson-Patienten
stellt sich zusätzlich eine Depression ein. Da beiden Leiden wesentliche
Symptome gemeinsam sind (Antriebslosigkeit, motorische Verlangsamung,
morgendliches Erwachen), wird die Möglichkeit einer begleitenden
Depression mitunter erst spät bedacht. Manchmal wird auch eine
„Depression“ in Fällen diagnostiziert, wo sie nicht gegeben ist.
Erfreulicherweise lassen sich Depressionen heute sehr gut behandeln.
Sprechen Sie also Ihren Arzt an, wenn Sie unter Traurigkeit,
Hoffnungslosigkeit, Gedanken an Tod, Antriebslosigkeit,
Zurückgezogenheit, Schlafstörungen und ähnlichen Symptomen leiden.
Lassen Sie ihn überprüfen, inwieweit es sich um eine Depression handelt
und welche Therapiemethoden gegebenenfalls für Sie in Betracht kommen.
Übrigens leiden bis zu 40 Prozent aller Parkinson-Patienten auch unter
Angststörungen, die sich unter geeigneter Therapie ebenfalls sehr gut
bessern.
Erstveröffentlichung:
www.parkinson-ratgeber.de
Autor: Dr. Herbert Mück |