Viel hat sich getan in
den letzten Wochen. Sowohl meine Erlebnisse als auch meine
Befindlichkeiten waren sehr bewegt. Mich wundert, dass ich häufig von
einer Minute auf die andere aus einem ganz erheblichen Tief herauskommen
kann, genau so gut aber in ein solches fallen kann.
Ich erfahre, dass ich
wunderbar leben kann, wenn es mir gelingt, die Gedanken an meine Probleme
aus meinem Kopf zu vertreiben. Oft nehme ich es mir einfach vor, ich sage
mir:
Es ist so, dass es hier
und jetzt in dieser Situation in mir steckt, dass ich mich gut fühlen
kann. Ich brauche damit nicht zu warten, bis meine Lebensumstände sich
ändern oder ich einfach von allein besser drauf bin, ich kann jederzeit
aktiv dafür sorgen, dass ich mich besser fühle. Es passiert häufig, dass
meine Stimmung komplett ins positive, unbeschwerte kippt, wenn ich eine
gewisse Hürde genommen habe, wenn ich mir ganz konsequent und mit
Nachdruck vor Augen führe, dass im Wesentlichen nur meine negative
Einstellung dazu führt, dass ich mich schlecht fühle.
In der Therapiesitzung
habe ich erfahren, dass alles, was ich wahrnehme, alle Einflüsse, die mich
erreichen, zunächst über einen Teil meines Gehirns gesteuert werden, der
für die Emotionen zuständig ist. Erst dann folgt der Verstand, der von den
Emotionen überaus stark beeinflusst wird. Der umgekehrte Weg, die
Fähigkeit der Beeinflussung der Emotionen durch den Verstand machen nur
ein zehntel dieser Kapazitäten aus. So sind wir Menschen konstruiert. Ist
schon schwierig, ein Mensch zu sein und nicht nur für meine Probleme nicht
gerade hilfreich. Ich weiß, dass ich sehr viel Kraft aufwenden muss, um
meine negativen Gefühle durch meinen Verstand beeinflussen zu können. Aber
ich werde niemals damit aufhören.
Die Therapiestunde ist
mir nicht leicht gefallen, ich war teilweise unkonzentriert und meine
Gedanken drifteten etwas dahin ab, mich mit meiner eigenen Befindlichkeit
zu beschäftigen. Dabei will ich natürlich so viel wie möglich mitnehmen
und auch die richtigen Ansätze aufdecken.
Mir kommt es so vor, als
wäre es ein wahnsinnig umfangreiches, sich ständig veränderndes Feld, auf
dem ich mich bewege. Mir kommen jeden Tag 1000 Gedanken, Verknüpfungen
oder neue Bewertungen zu „meinem“ Thema in den Sinn. Ich frage mich
manchmal, warum ich trotzdem diese Probleme habe. Aber wahrscheinlich
brauche ich nicht nach dem warum zu fragen, sondern die Antwort liegt
gerade darin, weil ich mir diese vielen Gedanken mache.
Einer dieser 1000
Gedanken ist dann auch, dass ich vielleicht ein besonderes Talent habe,
diesen Weg zu gehen. Meine Fähigkeit der Selbstbeobachtung und der
perfekten Konstruktion von negativen Gedankengerüsten ist wahrscheinlich
besonders gut ausgeprägt.
Naja, gerade heute könnte
ich wohl ein Buch darüber schreiben, aber mein Ziel sollte eher sein, das
Buch mit einer anderen bunten, lustigen und leichten Geschichte zu füllen.
Sicherlich war meine
Entwicklung von vielen Einflüssen bestimmt, gegen die ich mich nicht
wehren konnte und die das Fundament für meine Probleme bilden. Wir haben
in der Therapiestunde meinen Gefühlsausbruch bei dem Gespräch mit meinem
Vater noch einmal aufgegriffen. Das Erlebnis meines Vaters bei der Flucht,
das mich so sehr bewegt hat, ist vielleicht auch auf mein Leben zu
übertragen, genau so wie bei der Geschichte mit der kleinen Monika. Ich
habe Angst vor Veränderungen, vor neuen, unbekannten, fremden Situationen.
Gerade jetzt stehen auf meiner Arbeitsstelle große Veränderungen an. Das
Schlimmste für mich ist, dass dabei sehr viel noch ungewiss ist und dieses
Gefühl macht mir Angst. Anstatt die Sache locker anzugehen und mir und
meinen Fähigkeiten zu vertrauen, alles bewältigen zu können, wie ich das
in meinem Leben praktisch immer erlebt habe, habe ich Angst vor der
Veränderung, vor dem Unbekannten. Ich weiß, dass ich alles von meinen
Fähigkeiten locker schaffen kann, aber mein Gefühl versucht mir ständig
etwas anderes weis zu machen. Vielleicht liegt es tatsächlich an den
Erlebnissen meines Vaters im Krieg, der bei Nacht in eine völlig fremde
und ungewisse Zukunft startete. Könnte es sein, dass er die Erfahrung an
mich weitergegeben hat? Und wenn ja, wie kann ich diese Erkenntnis nutzen,
um meine Ängste dahingehend abzubauen?
Ich soll nun die
Lebensgeschichte meines Vaters und meines Großvaters aufschreiben. Ich
soll versuchen, ihre Sichtweisen, ihre Perspektiven zu ergreifen und so
mehr Verständnis erlangen. Es ist eine sehr schwierige Aufgabe, bei der
noch mehr Gespräche mit meinem Vater nötig sind. Es ist auch viel Arbeit.
Es ist viel Arbeit an mir selbst und es ist anstrengend und unbequem. Aber
ich werde es tun, ich würde alles dafür tun, dass meine Probleme nicht
mehr so mein Leben bestimmen.
Zu Sitzung 4 |