Im Herbst 2005
war es so weit. Plötzlich befand ich mich, wenn auch freiwillig, in der
Obhut einer psychiatrischen Klinik getrieben von selbstzerrstörerischen
Zukunftsängsten und einen gänzlichen Verlust des Selbstwertgefühls.
Meine Gedanken kreisten wie eine zu schnell laufende Waschmaschine, die
nicht mehr zu stoppen war. Dieses Gefühl war bereits in der Zeit davor
ein ständiger Begleiter. Ich konnte es nicht mehr ertragen, wollte, dass
es einfach aufhört, dass mir irgendjemand hilft, mein Leben in die Hand
nimmt. ... aber es konnte mir keiner Helfen außer ich mir selber und da
ich mich dazu zu kraftlos fühlte, wollte ich einfach nicht mehr sein,
wollte nur noch die Augen zu machen und von dieser Welt weg sein.
Als ich meine Augen
wieder öffnete war ich jedoch nicht weg, sondern in einer Klinik umgeben
von Gleichgesinnten und abgekapselt von der Welt. Ich war der festen
Überzeugung, dass dieser Schritt notwendig war, ich mich damit jedoch
beruflich und sozial in den Ruin getrieben habe. Wenn Sie als Leser in
einer ähnlichen Situation stecken, werden Sie all meine Worte verstehen
und können die Sätze meiner Gefühle zwischen diesen wenigen Zeilen
erkennen. Jemand, der diesen Weg zur Hölle nicht durchlebt hat, wird
sich schwerlich in eine solche Situation hineinversetzten können. Auch
damit muss man zu allem Überfluss leben. Man stößt auf Verwunderung,
Unverständnis und Ratlosigkeit bei seinen Mitmenschen und Arbeitgebern,
die einem mit Sätze wie „Versuch es doch wenigstens...“, „Stell dich
nicht so an ...“ und „Du musst doch einfach nur dieses und jenes tun, wo
ist dein Problem?“ begegnen. Ich war zwigespalten, wusste, dass diese
Personen recht haben, aber ich konnte es nicht mehr umsetzten.
Nun könnte man denken,
dass ich ein sensibler und schwacher Mensch bin. Einer, der sein Leben
nicht so ganz „im Griff“ hat, bei dem man sich nicht wundert, dass so
etwas eingetreten ist. Das Gegenteil ist jedoch der Fall. Betrachtet man
mich und mein Leben von außen, so erscheint dieser Zusammenbruch völlig
unmöglich. Abitur, Ausland, Studium, verschiedene Jobs in interessanten
Städten, viele Freunde, allseits beliebt, auf jeder Party mit guter
Laune dabei und am Ende ein erfolgreich bestrittenes Referendariat mit
Jobgarantie. Es galt nur noch das Examen zu machen. Ein einziger
Examenstag und alles wäre wie gewünscht geschafft, wenn ich nicht kurz
vorher zusammengebrochen wäre. Wie konnte dass passieren?
Fast schleichend wurde
ich trotz eines bewegten Lebens mit vielen Freunden innerlich
unzufrieden und einsam. Ich hatte zunehmend weniger Interesse und Freude
an Dingen, die mir früher viel Spaß gemacht haben, machte mir immer mehr
Sorgen um mein Leben und meine Zukunft und wurde immer haltloser. Dabei
arbeitete ich mehr und mehr, konnte nicht mehr loslassen, hatte ein
schlechtes Gewissen, wenn ich nicht arbeitete und fand lediglich ein
wenig Beruhigung, wenn ich am Schreibtisch saß. Ich wusste nicht, was
ich wollte, wurde unsicher, stark beeinflusst von Meinungen anderer und
definierte mich fast ausschließlich über meine beruflichen Leistungen.
Der Druck wurde immer größer und ich immer gefühlstoter und einsamer.
Wenn Sie selber
betroffen sind, werden Sie sich fragen, wie man aus einer solchen
Situation herauskommt oder ob man überhaupt aus einer solchen Situation
herauskommt. Aus eigener Erfahrung kann ich Ihnen sagen, man kann.
Greifen Sie diesen Hoffnungsschimmer, blicken Sie optimistisch in die
Zukunft und lassen sich von meiner Geschichte inspirieren. Es ist gewiss
kein einfacher Weg, aber ein sehr interessanter und spannender Weg. Ein
Weg, den man alleine für sich gehen muss und für den es keine
Wunderpille gibt, soviel ist leider gewiss. Als Beweis, dass es geht und
es einen Ausweg gibt, habe ich mein Examen nach wenigen Monaten sehr
erfolgreich bestanden und dieser eine Tag war für mich der beste Tag in
diesem Beruf. (Übrigens gegen die Prognosen und Empfehlungen einiger
Ärzte.)
Nach dem kurzen
Klinikaufenthalt hatte ich das Glück, auf Herrn Dr. Dr, Mück gestoßen zu
sein, der für mich persönlich genau der richtige „Coach“ für meine
Situation war. Wie bereits erwähnt, den Weg musste ich alleine gehen,
aber ich wurde hier und da gestützt, wenn es einmal holprig oder steinig
wurde.
Die Zeit nach dem
Klinikaufenthalt und vor der Wiederaufnahme des Referendariats habe ich
intensiv genutzt, um mir meiner Schwachpunkte bewusst zu werden und
Techniken zu erlernen, um damit besser umgehen zu können. Hilfreich
dabei war vor allem das regelmäßige Führen eines „Angsttagebuchs“, indem
ich meine anfänglich täglichen Sorgen und Ängste sowie deren Gründe
notierte. Schnell wurde mir deutlich, dass ich mir über „ungelegte Eier“
sorgen machte und ins Grübeln verfalle. Sobald ich wieder anfing zu
Grübeln, habe ich innerlich „Stopp“ gesagt und mir den Unsinn dieser
Grübelei verdeutlicht. Zusätzlich habe ich einen Stundenplan über meine
täglichen Aktivitäten geführt und dabei sehr schnell Zeitfresser und
Dinge, die mir nicht gut taten, erkannt und diese versucht zu vermeiden
bzw. zu verändern. Die neu gewonnene Zeit nutzte ich bewusst für mich
und habe mir täglich mit Hilfe von Meditations-CDs eine halbe Stunde
„Entspannung“ gegönnt, auch wenn es mir oft schwer fiel, zur Ruhe zu
kommen. Zu Beginn habe ich mehrmals in der Woche an Yogakursen
teilgenommen, was mir einen Weg zu mir selber und meinen eigenen
Gefühlen gebahnt hat und zusätzlich innere Ruhe beschert hat. Es waren
dabei nicht nur die Übungen, die mir geholfen haben, sondern vielmehr
die Yogaphilosophie. Mir wurde klar, dass Zufriedenheit nur aus einem
selber heraus entstehen kann und nicht durch materielle Dinge oder
beruflichem Erfolg erzeugt wird. Zudem habe ich mir Zeit für meine
Ernährung genommen, d.h. weniger Kaffee getrunken, regelmäßig gegessen
etc. Eine weitere Maßnahme war das tägliche Joggen. Eigentlich hasste
ich es Joggen zu gehen und tue es bedingt immer noch, aber die Wirkung
ist unglaublich. Bereits nach einem Monat konnte ich eine Stunde am
Stück laufen. Ein Erfolgserlebnis, was mir einfach gut tat.
Auf diese Weise
gestärkt habe ich mein Referendariat begonnen und war direkt im
Prüfungsstress. Ich hatte riesige Angst vor einer Wiederholung des
Szenarios und habe eine Prüfungsphobie entwickelt. Es gab immer wieder
Phasen, in denen ich mich genau so fühlte wie vor dem Zusammenbruch,
teilweise noch schlimmer, da die Angst vor der Angst größer war und es
gab immer wieder Rückfälle. Aber keiner dieser Rückfälle war tatsächlich
so schlimm wie der erste. Ich bin immer wieder aufgestanden, habe
gelernt mit der Angst zu leben, diese als irreal zu akzeptieren und
anzuerkennen und habe mit Hilfe des Joggens, des Tagebuchs, des Yogas
etc. weitergemacht und wurde zunehmend sicherer. Ich musste dabei
lernen, nicht so streng mit mir selber zu sein, meinen Perfektionismus
zu reduzieren und vor allen zu akzeptieren, dass man sich nicht von
Heute auf Morgen ändert. Dinge, die mir Angst bereiteten oder die ich
gerne vermieden habe, habe ich direkt in Angriff genommen und immer
wieder festgestellt, dass alles nicht so schlimm war, wie man zunächst
vermutet. Schlimm wird es nur, wenn man sie auf die lange Bank schiebt.
In vielen Dingen bin ich wieder in meine alten Muster verfallen und habe
gearbeitet bis zu Erschöpfung, wurde immer unproduktiver und somit
dauerte meine Arbeit länger und wurde immer schlechter und meine Ängste
und Selbstzweifel kamen wieder hoch. Das einzige, was da hilft, sind
regelmäßige Pausen, die man auch einhält, Joggen und sich bewusst nach
erledigter Arbeit etwas Schönes gönnen. Es ist wie in dem Buch „Momo“
von Michael Ende, bei dem die Hauptdarstellerin auf der Flucht von den
Zeitmenschen am schnellsten vorankommt, je langsamer sie geht. Je
schneller sie rennt, desto näher rückt die Gefahr, von ihren Verfolgern
erwischt zu werden. ... in meinem Fall die unbegründete, irreale Angst.
Lassen Sie sich diesen Satz durch den Kopf gehen, in ihm stecken fast
alle Antworten Ihres Problems. Es klingt so einfach es zu lösen und so
einfach sind die Methoden auf dem Weg zum Ziel (Joggen, Yoga, Pausen,
regelmäßiges Essen). Es sind nicht die Medikamente die Ihnen helfen,
sondern Geduld, Disziplin und ein eiserner Wille, diese Methoden
konsequent umzusetzen, auch wenn es müßig ist und häufig schwer fällt
und gewiss keine schnelle Lösung ist. ... aber es ist der einzige Weg.
Grübeln Sie nicht, sondern fangen Sie noch heute damit an. Wenn Sie
jetzt denken, mein Problem ist viel größer, was soll mir dieser Quatsch
helfen, kann ich Ihnen diesen Zahn ziehen. ... genau das habe ich auch
gedacht und das Gegenteil ist eingetreten. |