Bericht eines 24-jährigen Patienten über eine sechsmonatige Behandlung
Ich habe sehr lange
zugewartet, etwa ein Jahr, bevor ich mich dazu entschloss, eine Therapie
zu versuchen. Ich habe vorher sehr viele Bücher über Selbstsicherheit
und Selbstfindung gelesen, jedoch hatte ich Schwierigkeiten, die guten
Tipps in der Praxis umzusetzen, nämlich dann, wenn ich mal wieder die
volle „Breitseite“ des Lebens zu spüren bekam.
Der Grund, weswegen ich
eine Therapie wagen wollte, war, dass ich mir als Ziele vorgenommen hatte,
generell selbstsicherer im Leben zu werden, meine Angst vor Konflikten mit
Menschen abzubauen und positiver über mich selbst und das Leben zu denken.
Ich hatte, bevor ich zu
Herrn Dr. Mück kam, schon einmal einen Versuch mit einer weiblichen
Therapeutin und einem sog. „Coach“ gemacht, doch beide redeten nur mit mir
über mein Problem, anstatt mir klipp und klar deutlich zu machen, dass man
Selbstsicherheit nur durch Erfahrungen, die man selbst durchlebt hat, gewinnt.
Mir ist dabei eigentlich auch selbst klar gewesen, dass nur durch
theoretisches Sprechen über mein Problem, sich nichts daran verbessern würde,
es sei denn, ich überwände meine Angst. In gewisser Weise hatte ich auch noch
die naive Hoffnung, dass sich meine Lage von selbst bessern würde. So viel zu
meiner Vorgeschichte.
In meiner ersten Sitzung
bei Herrn Dr. Mück, hat er mir dann klar gemacht, dass man die Angst vor
gewissen Situationen nur dadurch lindern kann, indem man sich den Angst
machenden Situationen stellt.
So bekam ich gleich nach
der ersten Sitzung eine Hausaufgabe: Ich sollte jeden Tag mindestens dreimal
fremde Menschen auf der Straße ansprechen und sie z.B. nach der Uhrzeit, dem
Weg, nach Wechselgeld oder Sonstigem fragen. Das tat ich dann auch ziemlich
konsequent über mehrere Wochen hinweg. Ich habe versucht, diese Übungen in
meinen Alltag zu integrieren. So habe ich z.B. beim Repetitorium
(Vorbereitungskurs für das erste juristische Staatsexamen) mich immer öfter zu
Wort gemeldet, habe meine Kollegen gebeten, mir etwas vom Bäcker mitzubringen.
Habe in der Uni den
grimmigen Pförtner um Wechselgeld gebeten, um Auskunft oder ob er mir bei
einem Problem mit dem Kopierer helfen kann. Auch bin ich einmal - und das hat
mir von diesen Übungen mit die größte Überwindung abverlangt - im Supermarkt
an der Schlange vorbei bis ganz nach vorne gegangen und habe mit zwei
Packungen Milch die Frau, die gleich drankam, gefragt, ob sie so nett sei mich
vorzulassen, da ich schnell noch meine Bahn erwischen müsse. Ich hatte so
wahnsinniges Herzklopfen, als ich den Supermarkt betrat. Und als ich dann mit
den Packungen in der Hand in Richtung Kassen-Schlange zusteuerte, geriet ich
schon ins Wanken, aber ich war fest entschlossen, die Übung durchzuziehen.
Dann fragte ich die Frau höflich und sie sagte "In Ordnung". Vor mir war noch
ein Mann, der aufgrund seines äußeren Erscheinungsbild ein Obdachloser zu sein
schien und gerade seine Bier bezahlt hatte, der mir schon fast vorwurfsvoll
entgegnete, „Warum hast du mich nicht auch gefragt? Ich hätte dich doch auch
vorgelassen!“
Ehrlich gesagt habe ich
diese Übung nur dieses eine Mal gemacht, weil sie mir doch enorm viel
abverlangte. Insbesondere konnte ich mich den Vormittag davor kaum auf etwas
anderes konzentrieren, weil ich angesichts der bevorstehenden Übung psychisch
wie körperlich enorm angespannt war.
Auch „übte“ ich etwa, indem
ich mir von Studienkollegen in der Uni, die mir fremd waren, darum bat, mir
kurz einen Stift zu leihen oder indem ich sie bat, mir ihre Kopierkarte zu
geben, weil ich vorgab, meine vergessen zu haben. Ich bekam die Kopien dann
sogar meistens umsonst, obwohl ich es gar nicht darauf angelegt hatte.
Ich muss ganz ehrlich
sagen, ich habe dies Angst-Konfrontations-Therapie schon als sehr anstrengend
empfunden, vor allem weil ich Angst vor diesen Überwindungsübungen hatte.
Ich stand ja mit Herrn Dr.
Mück vom ersten Tag an, in ständigem Email Kontakt und musste ihm immer
Bericht über meine Übungen erstatten.
Das Problem war für mich
auch ein bisschen, dass die Therapie das war, was ich daraus machte. Ich
selbst bestimmte, ob ich die Übungen mache, welche und wie viele Übungen ich
täglich absolvierte.
Alle diese Übungen waren
mal mehr und mal weniger mit Überwindung verbunden und das belastete mich auch
schon, das kann ich nicht bestreiten. Vor allem kam ich mir manchmal trotz des
täglichen Email-Kontakts mit dem Therapeuten sehr alleine vor, weil man die
Überwindungssituation immer alleine durchmachen muss.
Aber ich glaube den
Schlüssel, wie man seine zwischenmenschliche Selbstsicherheit verbessern kann,
dadurch gefunden zu haben. Entscheidend ist die Denkweise, die man den Tag
legt:
Früher habe ich viele
Situationen gemieden, bei denen es zu Konflikten kommen könnte oder wo andere
auf einen aufmerksam werden. Und warum? Weil ich mich in diesen Situationen
unsicher und deswegen unwohl fühlte und weil ich dachte, die anderen sehen und
spüren meine Verunsicherung.
Bei diesen
zwischenmenschlichen Übungen war ich auch unsicher und fühlte mich unwohl,
aber ich machte sie trotzdem. Das ist auch das Geheimnis: Man muss trotz der
inneren Unsicherheit sich diesen Situationen stellen. Denn mit der Zeit und
mehr Erfahrungen lernt auch der Körper hinzu und die körperlichen
Unsicherheitssymptome, wie z.B. Zittern lassen nach.
Auch war Teil der Übungen,
Konflikte mit meinem damaligen Mitbewohner auszutragen. Das ist ja auch etwas,
was man für das Zusammenleben in einer WG bewältigen muss. Deshalb integrierte
ich die Übungen auch in meinen Alltag. Aber mir hat das immer so viel
Überwindung abverlangt, meinem Mitbewohner zu sagen,, wenn mir etwas an seinem
Verhalten nicht passte, da ich ein sehr harmoniebedürftiger Mensch bin und
mich ungern streite.
So sagte ich ihm z.B., dass
es mir nicht passte, dass er einfach in mein Zimmer ging und sich Sachen von
mir „auslieh“, ohne mich zu fragen oder wenigstens im Nachhinein Bescheid zu
sagen.
Oder ich besprach mit ihm,
wer was mitnehmen würde von den Sachen, die wir gemeinsam für die Wohnung
gekauft hatten. Dabei traute ich mich, auch mutige Forderungen zu stellen und
zu verhandeln.
Was das Schlimme für mich
war: Vor diesen Gesprächen mit meinem Mitbewohner war ich immer so enorm
angespannt, denn die bevorstehende Situation belastete mich immer so sehr,
dass ich die Momente davor gar nicht so richtig genießen konnte.
Eines meiner großen Ziele
war es auch, einen Studentenjob anzunehmen. Das hatte ich bisher auch immer
vermieden, da ich große Versagensängste hatte.
Ich hatte schon vor der
Therapie einmal überwunden und einen Probetag in einem Call-Center gemacht, wo
Zeitschriften am Telefon verkauft werden sollten. Ich habe mich dabei so
unwohl und unsicher gefühlt, dass ich nach einer Stunde aufgab.
Ich näherte mich dem Ziel
"Studentenjob" mit einem kleinen Schritt: Ich begann damit, Flyer für Partys
vor der Uni-Mensa zu verteilen. Ich hatte auch davor eine gewisse
Überwindungsschwelle. Aber ich tat es dann einfach. Ich drückte den Leuten
Flyer in die Hand sagte dazu „Party am Samstag“ oder „Möchtest du eine
Freikarte für eine Party?“ oder „Du willst doch bestimmt einen Flyer oder“
(mit ironischem Unterton). Das machte ich insgesamt viermal als Einstieg.
Danach ließ ich mich doch
noch mal von Herrn Dr. Mück dazu überreden, einen Call-Center-Job bei einer
großen Versicherungsgesellschaft anzunehmen. Ich hatte anfänglich große
Bedenken aufgrund meiner schlechten Vorerfahrung im anderen Call-Center. Aber
da ich mir nicht vorwerfen wollte, nichts für die Therapie gemacht zu haben,
stellte ich mich der Herausforderung.
Wir wurden zunächst einmal
eine Woche geschult, bevor wir auf die Menschheit losgelassen wurden, um
Sicherheit zu bekommen.
Aber vor dem ersten
Arbeitstag hatte ich trotzdem ein wenig Panik. Ich muss sagen, dass ich die
ersten Stunden bzw. die ersten Wochen nicht gerade der Sicherste im
Kundengespräch war. Ich hatte auch anfangs starke körperliche Symptome, wie
starkes Herzklopfen, Zittern, war unsicher, wenn manch ein Kunde harsch mir
gegenüber war. Aber das wurde von Tag zu Tag – ich arbeitete dort 3 Tage die
Woche – immer besser. Ich arbeitete schließlich 2 Monate im Call-Center bis
ich von mir aus kündigte.
Am Ende hatte ich das
Gefühl: Ja du kannst einen Job annehmen, kannst arbeiten und dir dein eigenes
Geld verdienen, du kannst eine Situation meistern, bei der du vorher gedacht
hast „das schaffe ich nie!“
Meine Therapie war recht
kurz: Sie ging von Mitte März bis Mitte September also ca. 6 Monate, denn ich
zog ich von Köln weg, ich hatte auch ein wenig das Gefühl, ich hätte noch
länger in Therapie bleiben und ein paar weitere Schritte wagen können.
Aber diese kurze intensive
Zeit hat mir doch einen wichtigen Schlüssel an die Hand gegeben für meine
weitere Zukunft, der da lautet, „Tu es, auch wenn du dich dabei unsicher
fühlst! Mit der Zeit wirst du immer sicherer werden!“
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