Einen
Abschlussbericht zu schreiben klang wesentlich einfacher als es dann in
die Tat umzusetzen war. Soll ich meine einzelnen „Probleme“ auflisten oder
ganz kurz und pauschal sagen, wie ich die Therapie erlebt habe? Ich mache
mir also schon wieder viel zu viele Gedanken, ob und welche Anforderungen
es wohl an diesen Bericht gibt. Also habe ich beschlossen, dass es von
außen gar keine gibt und nur ich hier meinen Vorstellungen vom
Abschlußbericht freien Lauf lassen kann.
Gesamthaft möchte ich
sagen, die Therapie zu machen – es waren insgesamt 2 Jahre, im mehr oder
weniger 14tägigen Rhythmus – war eine sehr gute Entscheidung. Und sehr
viel Arbeit! Denn nicht die Erstellung der (sehr hilfreichen!) Feedbacks,
Berichte und das Ausfüllen von Arbeitsblättern war das wirklich
Aufwändige, sondern die Arbeit an mir selber. Das permanente
Selbst-Ermahnen, aus meinen alten Verhaltensmustern auszusteigen, über
meinen eigenen Schatten zu springen, mich zu öffnen, etc. – eben mich in
vielerlei Hinsicht zu ändern, um die Therapie erfolgreich wirken lassen zu
können.
Ich hätte nicht gedacht,
dass soviel Kraft und Ausdauer, im Grunde auch Disziplin notwendig sein
würden, wenn ich eine Therapie mache. Nun weiß ich’s…und ich bin wirklich
froh und auch stolz, dass ich es geschafft habe und diese so genannte
Änderungskompetenz besitze und anwenden konnte.
Ich möchte aber auch Herrn
Dr. Mück loben – denn er hat sich sehr gut auf mich eingestellt hat und
mit viel Ironie und Humor die Sitzungen mit mir gestaltet, was für mich
genau die richtige Art und Weise war. Ein Glücksgriff! (…ein doppelter,
wenn ich bedenke, was mir Freunde über ihre Therapeuten und „Erfolge“
berichten…)
Meine Hauptprobleme
(andauernde Selbstmordgedanken & tagelang anhaltendes, unbestimmtes
Tief-Traurigkeitsgefühl) habe ich zum Glück bereits recht gut in der
ersten Hälfte der Therapie bewältigen können und daher bereits in meinem
Zwischenbericht behandelt. Allerdings musste ich zu meinem Erschrecken
feststellen, dass es eine Menge „kleinerer“ Probleme gibt und gab, die
sich nicht minder schwerwiegend auf mein Leben auswirken – sie waren
einfach nur lange Zeit überlagert worden.
Eine meiner ganz großen
Schwierigkeiten war und ist die, dass ich von mir auf andere schließe –
ein großer Fehler, denn jeder Mensch ist, denkt, fühlt und handelt anders.
Ich muss mir dies nach wie vor immer wieder sagen. Dies ist wirklich
unglaublich hilfreich, um entspannter mit anderen Menschen umgehen zu
können, da sich bei mir sonst schnell Genervtheit einstellte. Seitdem
fällt mir v.a. auf wie wenig die meisten Menschen hiernach leben – selbst
die (selbsternannten) toleranten Menschen, die Rücksichts- und
Verständnisvollen sind es nicht wirklich, obwohl sie es meinen, weil sie
den anderen einfach nicht sein lassen, wie er/sie ist.
Hiermit einher geht auch
meine Bewertung / Gewichtung von Menschen, Dingen, Fähigkeiten. Allen
voran bezüglich mir selbst: Ich bewerte leider noch immer mein Tun und
Handeln. Als ich ein Bild malte zum Thema „Wege aus der Depression“ habe
ich erstmal nichts Besseres zu tun gehabt, als mich für meine nicht
vorhandenen Maltalente zu entschuldigen. Es fällt mir so schwer zu
akzeptieren, dass es keine Anforderungen an meine Malkünste gibt, sondern
lediglich darum, etwas bildhaft auszudrücken. Immerhin fällt es mir
mittlerweile auf, so dass ich stark davon ausgehe, dass diese Eigenschaft
schwinden wird.
Wenn ich zum Beispiel
aufgefordert werde, etwas vorzutragen, singen, spielen oder eben auch ein
Bild zu malen, wäge ich sofort innerlich ab, ob ich das meine zu können,
ob ich es will, warum nicht, wenn nicht, etc… Das so genannte „Parlament
innerer Stimmen“ ist bei mir stark ausgeprägt. Ich erkläre und diskutiere
dann „ ewig“ herum, anstatt es einfach hinter mich zu bringen. Besonders
ärgerlich daran ist, dass ich, wenn jemand lange genug „bohrt“, ich es
dann doch mache und feststelle, dass es weder weh tat noch irgendwie
anders schlimm war. Insofern habe ich Querflöte vorgespielt, ein Bild
gemalt und zum Abschluss der Therapie gesungen. Ich habe mich jedes Mal
ein bisschen unwohl gefühlt, aber das war’s dann auch und sicherlich ist
es so, dass mit sich einstellender Gewohnheit, etwas vorzutragen, auch
dieses Gefühl verschwunden würde. Nur laut schreien, das wollte ich dann
doch nicht…
Auch habe/hatte ich so
meine Probleme mit
Komplimenten. Anderen Menschen Komplimente zu machen ist überhaupt
kein Problem für mich, aber dass jemandem an mir etwas gefällt, konnte ich
immer nur schwer glauben. Ich habe mich nie für besonders hübsch, begabt,
intelligent, etc. gehalten und hatte daher immer ein Problem damit, wenn
mich jemand lobte. Wahrscheinlich weil ich dies von zu Hause nicht kannte,
dort wurde eigentlich alles als gegeben vorausgesetzt: gut in der Schule,
begabt beim Klavier spielen, hübsch anzuschauen, etc. Dadurch war mein
Selbstwertgefühl / Selbstbewusstsein auch nicht besonders stark
ausgeprägt. Dies ist definitiv besser geworden durch die Therapie! Ich
kann nun an 70-80% aller Tage in den Spiegel gucken und
(tagesformabhängig) sagen „ja, ich mag mich so“, während es vor zwei
Jahren nur 20% aller Tage waren. Ich kann im Bikini über den Strand laufen
und es ist mir ziemlich egal, wie andere das finden, während ich mich
vorher immer am liebsten versteckt hätte. Selbstkomplimente sind hier ein
Hilfsmittel, aber ich mag mich irgendwie nicht selbst loben. Es sei denn
in einem
Metagespräch – das ist wirklich total klasse! Man betrachtet sich von
außen selber. Also haben Dr. Mück und ich uns über mich als eine dritte
Person unterhalten. Ich muss zugeben, dass ich mich da zum ersten Mal
wirklich objektiv betrachtet habe und zugeben musste, dass ich gar nicht
so schlecht bin, wie ich mich selber fand. Das ist eine so tolle
Möglichkeit, sich selber zu zeigen, was man kann, wie man ist usw., dass
ich nur jedem raten kann, dies einmal mit zu machen!
Emotionen – dieses Thema hat mich durch die ganze Therapie begleitet.
Im Grunde habe ich zu Anfang der Therapie nicht viele Ausprägungen von
Emotionen fühlen können. Im Grunde war ich ausschließlich ärgerlich
und/oder traurig. Darüber hinaus war ich bei negativen Ereignissen immer
erst einmal ärgerlich, bis sich das eigentliche Gefühl eingestellt hat.
(„Sekundäremotion“). Ich war allerdings überzeugt, dass alle anderen
Gefühle nur „verschütt gegangen“ sind und nicht wirklich weg waren. Ich
hatte eine wirklich glückliche und zufriedene Kindheit, in der ich sehr
viele Arten von Emotionen direkt gefühlt habe, nur sind diese über die
Jahre verkümmert. Insofern bin ich wirklich stolz, dass ich nun wieder in
der Lage bin, Emotionen direkt zu spüren und zu benennen.
Ein Nachteil daran ist,
dass ich nicht mehr so gut Verdrängen kann. Früher habe ich Probleme
einfach wegverdrängt, jetzt sind die Gefühle so stark, dass das nicht mehr
geht. Das ist nicht immer so praktisch, aber im Grunde doch wesentlich
besser und gesünder für mich und mein Umfeld!
Ich habe es sogar
geschafft, meiner Schwester mal richtig die Meinung zu sagen. Das erfolgte
zwar für meinen Geschmack etwas zu impulsiv und die Wortwahl war nicht
wirklich lupenrein, aber immerhin hat es nachhaltig gewirkt, da sie ihr
Verhalten nun geändert hat. (Wir haben immer schon ein sehr gutes
Verhältnis, aber sie ist sehr dominant…wie ich mir erst in der Therapie
wirklich eingestehen konnte.) Auch meinen Eltern gegenüber bin ich offener
geworden und versuche wirklich mehr Verständnis z.B. für die Art meines
Vaters (Lehrer…) aufzubringen und ihn und sein Tun nicht so sehr zu
bewerten, denn er ist nun mal so ist, wie er ist… J
Schuldgefühle lasse ich
mir von ihnen auch nicht mehr einreden und ich muss sagen, seitdem ich
dagegen etwas immuner geworden bin, unterlassen sie auch diese
einschlägigen Phrasen, mit denen sie es sonst geschafft haben!
Was ich durch die Therapie
verstärkt beobachtet habe, ist, dass ich genauso bin wie meine Mutter und
unglaublich viele Verhaltensweisen und Sprachmuster von ihr übernommen
habe, während meine Schwester eher meinem Vater ähnelt.
Ich arbeite nach wie vor
an meiner Sprache, in der viel zu viele „aber“, „man“, „soll“, „muss“,
etc. vorkommen und v.a. vorkamen. Immerhin bemerke ich jedes dieser Wörter
nun und stelle sie umgehend richtig, falls ich sie schon ausgesprochen
habe.
Abschließend möchte ich
auf den Dauerbrenner der zweiten Therapiehälfte zu sprechen kommen: die
Masterclass. Schweigend sitzen wir da und harren der Dinge, die da kommen.
Und genau das ist mein Problem. Ich sitze dann da und überlege, was nun
kommen soll. Gefühle, Erinnerungen, gar nichts?! Anfänglich habe ich mich
sogar sehr unwohl gefühlt und bis zum Schluss habe ich mich unter Druck
gesetzt, dass nun doch endlich etwas in mir aufkommen muss. Kam aber
nicht. Ich mochte diese Übung nicht, wir haben sie in jeder Stunde
wiederholt und ich war tatsächlich nicht in der Lage mich nicht unter
Erwartungs- und Erfolgsdruck zu setzen, zwar wurde dieser von Stunde zu
Stunde geringer, aber wirklich entspannt dasitzen habe ich leider bis
zuletzt nicht geschafft.
Die Therapie hat mir sehr
viel gebracht. Meine Selbstmordgedanken/Affinität zu Brückenpfeilern
plagten mich bereits nach der ersten Therapiehälfte fast gar nicht mehr.
Jetzt fallen sie mir nur noch ein als etwas Vergangenes. Natürlich bin ich
niemand, der „juhu, ein neuer Tag“ ruft, wenn er aufsteht, aber der neue
Tag stört mich nicht mehr, oftmals kann ich mich sogar darauf freuen, wenn
etwas Schönes anliegt. Insgesamt finde ich mich offener, zufriedener,
ausgeglichener und fröhlicher – und jetzt nicht nur nach außen, (weil so
wirkte ich immer schon) sondern wirklich in mir drin.
Dadurch hat sich auch
meine Einstellung zu Kindern geändert. Ich finde es nicht mehr
unverantwortlich, Kinder zu bekommen, sie tun mir auch nicht mehr leid,
wenn ich sie sehe. Allerdings ist meine Einstellung zu Kindern sicherlich
nach wie vor etwas rationaler als bei anderen Menschen, da ich Kinder um
ihretwillen aufziehen möchte und nicht um meinetwillen, was die Adoption
noch immer zu meinem Favoriten macht.
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