Von den sog. Angststörungen ist die „normale
Angst“ abzugrenzen. Letztere ist ein wichtiges Gefühl, das man ähnlich
wie Überraschung, Ekel, Traurigkeit, Freude und Zorn weltweit in allen
Kulturen findet. Angst signalisiert dem Betroffenen, dass er vor einer
Herausforderung steht oder eine solche erwartet, die seine dazu
vorhandenen Bewältigungsmöglichkeiten zu überfordern drohen. Im Ergebnis
scheinen ihm deshalb ein erhebliches Missbefinden oder gar mögliche
Schmerzen bevorzustehen. Ein solches „Symptom“ (= Warnhinweis) zu
„bekämpfen“, macht wenig Sinn, wenn der Hinweis sinnvoll ist und zu
passendem Verhalten motiviert. Zum Problem oder gar zur „Angststörung“
wird Angst erst dann, wenn sie grundlos auftritt (also wie bei einer
defekten Warnsirene ständige Fehlalarme auslöst) oder der „Alarm“ im
Verhältnis zur gemeldeten „Gefahr“ völlig unverhältnismäßig ist (z.B.
Spinnenphobie, Fahrstuhlphobie). Angst nimmt in der Regel graduell zu,
wobei ein mittleres Angstniveau sogar leistungssteigernd sein kann („Die
Angst des Torwarts vor dem Elfmeter“) und erst starke Ängste die
Handlungsfähigkeit beeinträchtigen.
Unter behandlungsbedürftigen
Angststörungen leiden in Deutschland im Lauf eines Jahres ca. 14 Prozent
der Bevölkerung (doppelt so viele Frauen wie Männer). Diese
Angststörungen werden jedoch häufig nicht als solche erkannt, da sich
die typischen Angstsymptome (wie Herzrasen, Schweißausbrüche, Schwindel,
Muskelverspannungen, Rücken- und Nackenschmerzen, Oberbauchbeschwerden
usw.) auch anderen Krankheitsbildern zuordnen lassen und dann bevorzugt
unter deren Etikett behandelt werden. Die bedeutsamsten Angststörungen
sind die Phobien, die Panikstörung und die generalisierte Angststörung.
Auch Anpassungsstörungen, die posttraumatische Belastungsstörung und somatoforme Störungen (einschließlich Hypochondrie) haben viele Symptome
mit den Angststörungen gemeinsam. Angstbetroffene haben die Tendenz,
angstbehaftete Situationen zu vermeiden, was je nach Art und Ausmaß der
Angststörung mit zunehmendem Bewegungsmangel und abnehmender Fitness
verbunden sein kann. Ähnlich wie bei Depressionen neigen auch viele
Angstbetroffene dazu, die noch immer teilweise stigmatisierende Diagnose
durch für sie oder die Gesellschaft „akzeptablere“ Bezeichnungen zu
ersetzen wie „Stress“ oder „Burnout“.
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