Solange etwas ist, ist es nicht das, was es
gewesen sein wird. Wenn etwas vorbei ist, ist man nicht mehr der, dem es
passierte. Allerdings ist man dem näher als anderen. Obwohl es die
Vergangenheit, als sie Gegenwart war, nicht gegeben hat, drängt sie sich
jetzt auf, als habe es sie so gegeben, wie sie sich jetzt aufdrängt. Aber
solange etwas ist; ist es nicht das, was es gewesen sein wird. Wenn etwas
vorbei ist, ist man nicht mehr der, dem es passierte. Als das war, von dem
wir jetzt sagen, dass es gewesen sei, haben wir nicht gewusst, dass es
ist. Jetzt sagen wir, dass es so und so gewesen sei, obwohl wir damals,
als es war, nichts von dem wussten, was wir jetzt sagen.
In der Vergangenheit, die alle zusammen haben,
kann man herumgehen wie in einem Museum. Die eigene Vergangenheit ist
nicht begehbar. Wir haben von ihr nur das, was sie von selbst preisgibt.
Auch wenn sie dann nicht deutlicher wird
als
ein Traum. Je mehr wir's dabei beließen, desto
mehr wäre Vergangenheit auf ihre Weise gegenwärtig. Träume zerstören wir
auch, wenn wir sie nach ihrer Bedeutung fragen. Der ins Licht einer
anderen Sprache gezogene Traum verrät nur noch, was wir ihn fragen. Wie
der Gefolterte sagt er alles, was wir wollen, nichts von sich. So die
Vergangenheit.
Aus: Martin Walser: Ein springender Brunnen
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