Praxis für Psychosomatische Medizin u. Psychotherapie, Coaching, Mediation u. Prävention
Dr. Dr. med. Herbert Mück (51061 Köln)

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In Symptomen Wünsche erkennen


Körperliche Symptome
sind oft eine Form von Sprache (Protest) bzw. verkörperter Gefühle (= Gefühlsstellvertreter, oft handelt es sich um Angstäquivalente). Mit ihnen können Menschen etwas ausdrücken oder anstreben, für das sie noch keine Worte oder Umsetzungsmöglichkeiten haben. Symptome verweisen auf etwas „Dahinter-Liegendes“, zu dem bislang nur „Experten“ Zugang zu haben glauben („Es“, Körper, Unbewusstes). Symptome werden nicht „geheilt“, sondern „verstanden“. Oft sind sie Symbole für das Leiden an der eigenen Lebensgeschichte (gefühllosen Anderen) oder an gesellschaftlich bedingten Problemen. Symptome können auch Schutzbarrieren aufbauen, z.B. Ausschalten akustischer Störquellen durch einen Hörsturz. Symptome können „Sinn machen“, was durchaus auch für ein „verkalktes Gelenk“ gelten kann, insbesondere vor dem Hintergrund, dass meist nicht alle Gelenke gleich verkalken. Mitunter sind Symptome sensomotorische Aufzeichnungen interaktiver Beziehungserfahrungen der frühen Lebenszeit, die keine symbolische bzw. affektive Repräsentanz gefunden haben. Weitere Beispiele: Erkrankungen des „Kontaktorgans“ Haut können auf Kontaktstörungen hinweisen. Nesselsucht kann ungeweinte Tränen (nicht gelebte Emotionen) ersetzen. Die Muskelverspannung kann auf ein „Festhalten müssen“ oder „sich nicht hingeben können“ hindeuten. Ähnliches gilt für die Reizblase. Ein alles beherrschendes Ohrgeräusch kann wie ein Staubsauger wirken, der andere seelische Probleme schluckt oder durch seinen Krach alle inneren Stimmen übertönt. Die Esssucht kann ausdrücken, dass man als Kind viel zu wenig erhalten hat. Die Allergie (Heuschnupfen) lässt Augen tränen, die auf natürliche Weise nicht weinen können oder dürfen.

Es gilt, Symptome in die damit verbundenen Wünsche umzuwandeln. Die Schwierigkeit, frei zu assoziieren, verdeutlicht uns, wie schwer es uns fällt, mit unseren seelischen Bedürfnissen und Wünschen in Kontakt zu treten. Vermutlich gibt es so etwas wie ein affektives Körpergedächtnis, da Affekte von Geburt an vorhanden sind und sich erst im Laufe des Lebens vom körperlichen Erleben trennen (Desomatisierung). Unter Belastung (oder z.B. durch die gezielte Stimulation eines Affektes) erinnert sich der Körper dann an die im Nervensystem bereits „gebahnten“ Affektreaktionen (Christian Morgenstern, 1871-1914: „Der Körper ist der Übersetzer der Seele ins Sichtbare“). Was ein Symptom genau „sagen will“, kann von Person zu Person sehr unterschiedlich sein (nicht alle Symptome sind gleich „ausdrucksstark“). Symptome sind eine sehr grobe Sprache, wie das „Bauchweh“ zeigt, hinter dem sich eine Blinddarmentzündung, ein voller Magen, ein schlechtes Gewissen oder die Angst vor einer Prüfung verbergen kann.

Symptome sind die vorerst beste "Lösung" und schützen die Betroffenen vor der Konfrontation mit Gegebenheiten, die sie momentan sonst nicht verkraften würden. Symptome sollte man deshalb nicht bekämpfen, sondern „nutzen“ (z.B. als Hinweise auf Belastungen und Verhaltensalternativen). Mit einem Symptom, dessen Nutznießer (und nicht mehr Opfer) man ist, kann man viel lockerer umgehen. Symptome protestieren gegenüber dem Herrn des Körpers, der letzteren oft versklavt und seine Bedürfnisse ignoriert.

Im Verhältnis zum Therapeuten lässt sich das Symptom auch als „Beziehungsangebot“ verstehen und nicht als „Widerstand“. Möglicherweise wurde die Mitteilung von Beschwerden (Klagen, Schreien, Weinen) in der Lebensgeschichte als besonders erfolgreich erfahren, Zuwendung zu erhalten (wenn auch letztlich nur in Form der „Krankenpflege“). Mitunter rebelliert auch der Körper, indem er mit Macht (Schmerz) fordert, versäumte Möglichkeiten (bislang nicht Gelebtes) endlich nachzuholen.

Schmerz ist ein Ausdruck von Lebendigkeit und eine Form, „nein“ bzw. „stopp“ zu sagen. Viele Psychologen sehen im Symptom die kompromisshafte Lösung (also ein Mischbild) eines alten Konflikts zwischen einem abgewehrten (Trieb)Wunsch und einem Gebot des Gewissens. Er liefert aktuellen Konflikten die Grundlage, eine mächtige Dynamik zu entfalten. Beispiel: Auf die Frage, ob man einen Arbeitsplatz wechseln soll, wirkt sich aus, wie man sich früher von seinen Eltern trennen konnte (etwa mit Schuldgefühlen, weil diese traurig oder enttäuscht waren). Im „Wiederholungszwanglebt man gleichsam die Konflikte im Handeln aus, die der bewussten Erinnerung noch nicht zugänglich sind (möglicherweise in der Hoffnung, endlich eine bessere Lösung zu finden bzw. sie endlich zu erledigen). In dem Umfang, in dem die Betroffenen lernen, sich mit Hilfe anderer „Symbole“ (auch affektiv) zu verständigen, ihre Wünsche auszusprechen bzw. über Bilder auszudrücken und offen für diese einzutreten, werden körperliche Symptome meist entbehrlich und lösen sich auf. Manche „Symptome“ (angewachsene Ohrläppchen, Handfurchen) verdeutlichen, dass „Symptome“ immer auch das Ergebnis einer sozialen Übereinkunft (Bewertung) sind, deren Ergebnis dann auch darüber entscheidet, ob eine Person als „Simulant“ bzw. eingebildeter Kranker eingestuft wird. Verspannungen findet man besonders bei Menschen, die ihre Erfahrungen motorisch organisieren.