Körperliche Symptome
sind oft eine Form von Sprache (Protest) bzw. verkörperter Gefühle (=
Gefühlsstellvertreter, oft handelt es sich um Angstäquivalente). Mit
ihnen können Menschen etwas ausdrücken oder anstreben, für das sie noch
keine Worte oder Umsetzungsmöglichkeiten haben. Symptome verweisen auf
etwas „Dahinter-Liegendes“, zu dem bislang nur „Experten“ Zugang zu haben
glauben („Es“, Körper, Unbewusstes). Symptome werden nicht „geheilt“,
sondern „verstanden“. Oft sind sie Symbole für das Leiden an der
eigenen Lebensgeschichte (gefühllosen Anderen) oder an
gesellschaftlich bedingten Problemen. Symptome können auch
Schutzbarrieren aufbauen, z.B. Ausschalten akustischer Störquellen
durch einen Hörsturz. Symptome können „Sinn machen“, was durchaus auch für
ein „verkalktes Gelenk“ gelten kann, insbesondere vor dem Hintergrund,
dass meist nicht alle Gelenke gleich verkalken. Mitunter sind Symptome
sensomotorische Aufzeichnungen interaktiver Beziehungserfahrungen der
frühen Lebenszeit, die keine symbolische bzw. affektive Repräsentanz
gefunden haben. Weitere Beispiele: Erkrankungen des „Kontaktorgans“ Haut
können auf Kontaktstörungen hinweisen. Nesselsucht kann ungeweinte Tränen
(nicht gelebte Emotionen) ersetzen. Die Muskelverspannung kann auf ein
„Festhalten müssen“ oder „sich nicht hingeben können“ hindeuten. Ähnliches
gilt für die Reizblase. Ein alles beherrschendes Ohrgeräusch kann wie ein
Staubsauger wirken, der andere seelische Probleme schluckt oder durch
seinen Krach alle inneren Stimmen übertönt. Die Esssucht kann ausdrücken,
dass man als Kind viel zu wenig erhalten hat. Die Allergie (Heuschnupfen)
lässt Augen tränen, die auf natürliche Weise nicht weinen können oder
dürfen.
Es gilt, Symptome in die damit verbundenen Wünsche umzuwandeln.
Die Schwierigkeit, frei zu assoziieren, verdeutlicht uns, wie schwer es
uns fällt, mit unseren seelischen Bedürfnissen und Wünschen in Kontakt
zu treten. Vermutlich gibt es so etwas wie ein affektives
Körpergedächtnis, da Affekte von Geburt an vorhanden sind und sich
erst im Laufe des Lebens vom körperlichen Erleben trennen (Desomatisierung).
Unter Belastung (oder z.B. durch die gezielte Stimulation eines Affektes)
erinnert sich der Körper dann an die im Nervensystem bereits „gebahnten“
Affektreaktionen (Christian Morgenstern, 1871-1914: „Der Körper ist der
Übersetzer der Seele ins Sichtbare“). Was ein Symptom genau „sagen
will“, kann von Person zu Person sehr unterschiedlich sein (nicht alle
Symptome sind gleich „ausdrucksstark“). Symptome sind eine sehr
grobe Sprache, wie das „Bauchweh“ zeigt, hinter dem sich eine
Blinddarmentzündung, ein voller Magen, ein schlechtes Gewissen oder die
Angst vor einer Prüfung verbergen kann.
Symptome sind die vorerst beste
"Lösung" und schützen die Betroffenen vor der Konfrontation mit
Gegebenheiten, die sie momentan sonst nicht verkraften würden. Symptome
sollte man deshalb nicht bekämpfen, sondern „nutzen“ (z.B. als
Hinweise auf Belastungen und Verhaltensalternativen). Mit einem Symptom,
dessen Nutznießer (und nicht mehr Opfer) man ist, kann man viel lockerer
umgehen. Symptome protestieren gegenüber dem Herrn des Körpers, der
letzteren oft versklavt und seine Bedürfnisse ignoriert.
Im Verhältnis
zum Therapeuten lässt sich das Symptom auch als „Beziehungsangebot“
verstehen und nicht als „Widerstand“. Möglicherweise wurde die
Mitteilung von Beschwerden (Klagen, Schreien, Weinen) in der
Lebensgeschichte als besonders erfolgreich erfahren, Zuwendung zu erhalten
(wenn auch letztlich nur in Form der „Krankenpflege“). Mitunter rebelliert
auch der Körper, indem er mit Macht (Schmerz) fordert, versäumte
Möglichkeiten (bislang nicht Gelebtes) endlich nachzuholen.
Schmerz ist ein Ausdruck von Lebendigkeit und eine Form, „nein“ bzw.
„stopp“ zu sagen. Viele Psychologen sehen im Symptom die
kompromisshafte Lösung (also ein Mischbild) eines alten Konflikts zwischen
einem abgewehrten (Trieb)Wunsch und einem Gebot des Gewissens. Er liefert
aktuellen Konflikten die Grundlage, eine mächtige Dynamik zu entfalten.
Beispiel: Auf die Frage, ob man einen Arbeitsplatz wechseln soll, wirkt
sich aus, wie man sich früher von seinen Eltern trennen konnte (etwa mit
Schuldgefühlen, weil diese traurig oder enttäuscht waren). Im „Wiederholungszwang“
lebt man gleichsam die Konflikte im Handeln aus, die der bewussten
Erinnerung noch nicht zugänglich sind (möglicherweise in der Hoffnung,
endlich eine bessere Lösung zu finden bzw. sie endlich zu erledigen). In
dem Umfang, in dem die Betroffenen lernen, sich mit Hilfe anderer
„Symbole“ (auch affektiv) zu verständigen, ihre Wünsche auszusprechen
bzw. über Bilder auszudrücken und offen für diese einzutreten, werden
körperliche Symptome meist entbehrlich und lösen sich auf. Manche
„Symptome“ (angewachsene Ohrläppchen, Handfurchen) verdeutlichen, dass
„Symptome“ immer auch das Ergebnis einer sozialen Übereinkunft
(Bewertung) sind, deren Ergebnis dann auch darüber entscheidet, ob
eine Person als „Simulant“ bzw. eingebildeter Kranker eingestuft wird.
Verspannungen findet man besonders bei Menschen, die ihre Erfahrungen
motorisch organisieren. |