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Seelisches Leiden als „Ausschlussdiagnose“
zu behandeln, macht keinen Sinn (zumal ein Nichtfinden körperlicher
Ursachen noch lange nicht heißt, dass es solche nicht doch gibt). Vielmehr
gehen moderne Wissenschaftler davon aus, dass nicht die Materie das
Primäre ist (sondern die Form, die sich auf verschiedene Weise
materialisiert). Jedem seelischen Vorgang entsprechen körperliche
(biochemische, neuronale). Dabei geht man heute davon aus, dass neuronale
Vernetzungen in weiten Bereichen erfahrungsabhängig veränderbar sind.
Jeder inszeniert (szenisch, atmosphärisch) seine Lebensgeschichte
mit dem anderen, wobei vieles leibliche Geschichte geworden ist
(Leibgedächtnis). Gestalttechniken (heißer Stuhl) erleichtern die
Externalisierung und Symbolisierung. Manchmal ist der Körper (die
Motorik) klüger als der Verstand. Dies zeigen Experimente mit Kindern,
denen man die gleiche Knetmasse einmal in Form eines Stabes und dann in
Form einer Kugel vorführt. Sie glauben dann zwar die Kugel sei schwerer,
ihr Arm reagiert aber beim Ergreifen beider Objekte gleich. Umgekehrt sind
auch Situationen denkbar, in denen die Motorik nicht mehr angemessen ist.
Seltsamerweise werfen wir dem Körper vor, uns im Stich zu lassen, während
wir selten einräumen, dass wir umgekehrt auch den Körper im Stich gelassen
haben. Kurzfristig mögen wir uns gegenüber dem Körper durchsetzen,
langfristig sitzt aber er am längeren Hebel. Leben ist Bewegung,
Rhythmus und Wechselwirkung. In der Psychotherapie geht es oft darum,
sich mit dem Körper (seiner Endlichkeit und seine Grenzen) zu versöhnen.
Dies setzt voraus, ihn wahrnehmen zu können („Schmerzfokussierung als
bildgebendes Verfahren“). Es gilt, den Körper (eine synergistisch wirkende
Zell- und Materialansammlung) in unser Selbstbild zu integrieren. Nicht:
„Die Muskeln sind verspannt“ sondern „Ich verspanne meine Muskeln“. Nicht:
„Ich habe ein Gefühl“ sondern: „Ich fühle“. Der Therapeut kann durch
seinen eigenen Körper (als Instrument) den Patienten entspannen und
beruhigen (sofern sein eigener Körper dies ist). Auch die positiven
Gefühle des Therapeuten können „anstecken“ (affektiv wirken).
„Beiläufige
Geschichten“ helfen besonders zu entspannen, wobei
„Entspannungsübungen“ am besten wirken, wenn man ohnehin schon entspannt
ist. Bei psychosomatischen Patienten wirken Entspannungsübungen durch die
„Zeitpause“, die sie in einem Alltag bewirken, der durch
pausenloses Müssen (innerer Antreiber, Gewissen) gekennzeichnet ist.
Das Jacobson-Training leitet zu Rhythmen an (beim Wechsel zwischen
Anspannung und der von Ausatmung begleiteten Entspannung). Wichtig ist es,
in Form der Ungehorsamsregel entsprechend veranlagten Patienten zu
gestatten, nur auf das für sie Angenehme und Nützliche zu hören (den
inneren Antreiber matt zu setzen). Im Tasten fallen Merk- und Wirkwelt
zusammen. Ein streichelnder Mensch denkt nicht (anderenfalls mangelt es
ihm an "Streicheltiefe"). |