Praxis für Psychosomatische Medizin u. Psychotherapie, Coaching, Mediation u. Prävention
Dr. Dr. med. Herbert Mück (51061 Köln)

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Ganzheitlich denken und leben

Her
Getrenntheit ist eine der größten Illusionen. Deshalb ist auch die Trennung von Körper und Seele künstlich (eine menschliche Konstruktion bzw. Unterscheidung), ebenso wie die zwischen Person und Umwelt. Sie verkennt, dass alle seelischen Vorgänge von körperlichen Prozessen begleitet sind und umgekehrt (bzw. noch besser ausgedrückt: dass sie mit diesen eine untrennbare Einheit bilden). Wir haben nicht nur einen Körper, wir sind ein Körper. Manche geben sogar dem Körper Vorrang („Wir sind nicht, was wir wollen, sondern wir wollen, was wir tun“). Diese Einstellung stützt sich auf die Beobachtung, dass unser Gehirn schon einen physikalisch messbaren Handlungsimpuls gibt, noch bevor wir diese Handlung bewusst wollen (Das „Wollen“ wird dann so interpretiert, dass wir eine erfolgte Handlung unserer Person zuschreiben). Oft nicken wir mit dem Kopf oder schütteln ihn, obwohl wir noch gar nichts „denken“ bzw. anschließend das Gegenteil sagen. Möglicherweise verhilft uns erst Selbstkontrolle (warten zu können) zur Beherrschung unserer Impulse (macht uns so zu bewussten Wesen). Man könnte auch davon sprechen, dass wir unsere biologischen Verhaltensdispositionen in Dienst nehmen. EEG-Untersuchungen zeigen, dass wir Dinge bewerten, noch bevor wir darüber nachdenken, und dass selbst der gezielte Versuch, Phänomene positiv zu beschreiben, nichts an der abwertenden Reaktion des Gehirns ändert. Offenbar gibt es ein implizites Wissen, das bereits sprachlosen Säuglingen zur Verfügung steht und ein explizites, das auf Sprache beruht. Wie Transformatoren („Interfaces“) sind „wir“ in den ständigen Fluss von Eindrücken und Ausdrücken eingebunden. Psychotherapie ist weitgehend „Nachbereitung“ (Rekonstruktion, Komplettierung) von Ereignissen, die im Augenblick ihres Geschehens einfach nur erfolgen, um dann im Nachhinein eingeordnet (zugeschrieben) zu werden. Alle zwischenmenschlichen Kontakte sind chaotische Versuche, Resonanz herzustellen.

Als „Now-Erlebnisse“ (Begegnungen) bezeichnet man gelungene Kontakterfahrungen. Alles ist psycho-somatisch, alles „moduliert“ sich (resonanzhaft) gegenseitig. Wir können nur denken, erleben und handeln, weil körperliche Prozesse uns dies ermöglichen. Unser Körper drückt ständig und am deutlichsten unsere Affekte aus. Von daher sind Männer, die lieber handeln als sprechen, besonders „affektiv“. Wir selbst – wie überhaupt die Welt – sind ein einziger Prozess („Die Welt ist nicht, sie geschieht“).

     Es ist künstlich und verzerrend, einzelne Phänomene isoliert zu betrachten. So drückt sich eine Depression nicht nur im Erleben aus (Leere, Hoffnungslosigkeit usw.), sie lässt den Betroffenen auch körperlich erstarren und seinen Mund austrocknen, außerdem äußert sie sich in Veränderungen des Immunsystems. Wer wütend ist, dessen Blutdruck steigt, wer Angst hat, erblasst, wer sich schämt, errötet. Wer erschrocken ist, dem bleibt die Luft weg. „Stress“ schlägt auf den Magen. Eine ursprünglich rein psychische Lähmung eines Armes führt zum Abbau der Muskulatur und damit auch zu körperlicher „Lähmung“ (mit weiteren komplexen Folgewirkungen). Ein Asthmatiker bekommt schon beim Anblick einer Kunstblume einen asthmatischen Anfall. Sportler nutzen psychosomatische Phänomene in Form des mentalen Trainings, das motorische Abläufe bahnt. Anders als bei organischen Leiden ist bei „funktionellen“ das Zusammenspiel gestört. Manches Wissen ist im Körper prozedural gespeichert und kann nur ausgelebt (bzw. durch Agieren mitgeteilt) werden. Vorstellungen erleichtern uns die Bewegung (z.B. die Tai-Chi-Formel: „Zerteile die Wolken und halte den Mond“). Kommunikation kann als Austausch von Bildern verstanden werden. In ein Phänomen (wie Schmerzen) fließen neben biologischen auch kulturelle Einflüsse ein. Umgekehrt kann ein körperliches Symptom im Nachhinein mit seelischen Bedeutungen und Funktionen belegt werden. Auch in unserer Wahrnehmung nehmen wir weniger „einzelnes“ wahr, als vielmehr „komplexe Beziehungen“, die wir notfalls (bei Lücken) nach unseren eigenen Vorstellungen (projektiv) „komplettieren“. In unseren Bewegungs- und Ausdrucksmustern spiegeln sich diejenigen früherer wichtiger Bezugspersonen (bzw. unsere kindlichen Haltungen zu diesen) wider. Atmung kann zur Gebärde werden und in den Dienst menschlicher Kommunikation treten, indem sie unsere innere Befindlichkeit repräsentiert. Psychische Phänomene sind keineswegs nur innerhalb eines Menschen angesiedelt; sie können auch aus der Interaktion zwischen Mensch und Kontext bzw. aus der Koordination der Interaktion zwischen Menschen erklärbar und damit auch an dieser Stelle behandelbar sein. Vieles ist nur gemeinsam möglich: Ohne Wasser kann man nicht schwimmen, alleine kann man auf Dauer nicht so gut fröhlich sein.