Die nachstehenden Empfehlungen verdanke ich einem früheren Patienten, der
sehr lange unter einer Hypochondrie litt. Rückblickend formuliert er
(2016) für Sie seine wichtigsten Erkenntnisse in Form folgender
Hinweise:
Die folgenden
Verhaltenstipps möchte ich denjenigen ans Herz legen, die mit
psychosomatischen Beschwerden konfrontiert sind. Den ersten und
vielleicht wichtigsten Schritt haben Sie bereits getan, wenn Sie dies
lesen. Sie räumen nämlich dem zunächst ungeheuerlichen und abwegigen
Gedanken Platz ein, dass Ihr Leid vielleicht doch keine (rein)
körperliche Ursache hat und Sie ihm deswegen auch anders begegnen müssen
als bisher. Dazu habe ich einige Anregungen formuliert. Sie werden auch
Ihnen helfen, das Stück Lebensqualität zurück zu erlangen, dass Sie ein
unzweckmäßiges Verhalten bei psychosomatischem Leid kostet.
1.
Vorsicht vor selbst
fabrizierten Wahrheiten. Oft lösen Symptome, die als beunruhigend
wahrgenommen werden, gedankliche Reaktionen aus, die einen großer Teil
des Leidensdrucks ausmachen. Solche scheinbaren Wahrheiten können z.B.
sein „Wenn das so bleibt, kann ich XY niemals wieder tun / bei der
Arbeit nicht bestehen / mein Leben nicht richtig leben können / geht
alles den Bach runter (usw.). Dieser gedankliche Überbau fühlt sich zwar
für Sie als Betroffene(n) wahr und entsprechend bedrohlich an.
Tatsächlich handelt es sich dabei aber um Katastrophenphantasien, die
nicht nur nicht hilfreich sind, sondern das Problem stattdessen noch
verstärken. Nehmen Sie Ihre gedanklichen Reaktionen nicht für bare
Münze. Betrachten Sie sie als spontane Übertreibung.
2.
Treiben Sie Sport. Sport sorgt
für ein gutes Körpergefühl. Vielleicht nicht direkt und nicht auf
Anhieb, aber nach einiger Zeit. Experimentieren Sie, welche Art von
Bewegung Ihnen gut tut (Joggen, Radfahren usw.) und beobachten Sie, wie
schnell sie Fortschritte darin machen. Im Lichte eines ausgeglichenen
Körpergefühls nimmt die Belastung durch unwillkommene Symptome spürbar
ab. Körperliche Inaktivität und einseitige Fokussierung auf das, was Sie
nicht wollen, verstärken dagegen das Problem.
3.
Wenn sie eine schlechte Zeit
haben, setzen Sie keine „negativen Erinnerungsanker“. Eskalieren Sie die
Situation nicht. Gehen Sie so gut es geht ihren alltäglichen Aktivitäten
nach. Ein negativer Erinnerungsanker wird dann gesetzt, wenn Sie
innerlich eine Art Notfall ausrufen und äußerlich ihre Umwelt darin
einbeziehen (bspw.: Krankmelden, Ausdruck d. Hilflosigkeit und des nicht
mehr Weiterwissens an nahestehende Personen usw.). Sie werden sich sonst
noch lange Zeit daran erinnern können, wie schlecht es Ihnen an besagtem
Tag wegen des Symptoms XY ging. Das wird nicht der Fall sein, wenn Sie
sich eben nicht aus der Bahn werfen lassen, sondern so gut es geht ihrem
Alltag folgen. Salopp gesagt „keep calm & carry on“.
4.
Die Fokussierung auf ein
Symptom ist nicht hilfreich. Wenn Sie z.B. immer wieder prüfen, ob es
„noch da“ ist, wird es weniger leicht verschwinden. Natürlich ist es
nicht leicht, etwas, was einen beunruhigt, nicht weiter zu beachten.
Eine überaufmerksame beunruhigte Selbstbeobachtung hebt dass, was Sie
nicht haben wollen, ins Rampenlicht. Lassen Sie zu, wenn sich Ihre
Aufmerksamkeit sich mit Ihrem Problem beschäftigen will, aber befeuern
Sie das nicht zusätzlich, indem Sie sich z.B. dafür zurückziehen und
sich gesondert Zeit zur Selbstbeobachtung einräumen. Gehen Sie lieber
ein anderen, sinnvollen Aktivität nach.
5.
Setzen Sie statt negativer
lieber positive Erinnerungsanker. Suchen Sie bewusst nach Situationen,
die Sie entspannen und die angenehm ist. Geben Sie sich Zeit, früher
oder später kommt eine solche Situation. Das kann ein Vollbad, ein
genussvolles Essen, aufmerksames Hören von Musik oder in Ihrem Fall auch
etwas ganz anderes sein. Vielleicht beobachten Sie auch rein zufällig in
einer bestimmten Situation, dass Ihr Sie Problem gerade wenig(er)
belastet und Sie sich mehr oder weniger gut fühlen. Vergegenwärtigen Sie
sich unbedingt diese Momente. Sprechen sie innerlich oder vielleicht
auch laut aus, dass Sie gerade eine angenehme Situation erleben und
rufen Sie sich diese anschließend wieder vor Augen, gerade, wenn es
Ihnen mal nicht so gut geht. Wenn Sie dann z.B. auf die Woche
zurückblicken, können Sie das Problem verschärfende All-Aussagen („Es
geht mir immer schlecht“) „knacken“ und leichter lernen, sich
nicht mit ihnen zu identifizieren.
6.
Theoretisieren Sie nicht zu
viel herum. Was Sie warum und wann falsch gemacht haben, damit es „so
weit kommen konnte“ ist für die Verbesserung Ihrer Situation nicht
relevant. Ebenfalls ist es nicht peinlich oder lächerlich, im Leben
psychische Probleme zu erfahren. Viele andere Menschen haben oder hatten
dieselben Schwierigkeiten. Betrachten Sie ihr Problem wie das eines
körperlichen Leids, z.B. eines gebrochenen Armes. Der heilt, wenn man
einige Regeln befolgt, und das tut man dann eben. Durch theoretische
Betrachtungen über mögliche Ursachen des Armbruchs oder
Schreckszenarien, wie der verletzte Arm Ihr Leben beeinträchtigt und wie
peinlich es ist, einen gebrochenen Arm zu haben, kommen Sie dagegen
nicht weiter.
7.
Suchen Sie nicht im Internet
nach Ihren Symptomen / befürchteten Krankheiten. Mit sehr hoher
Wahrscheinlichkeit finden Sie Einträge in Foren, in denen Ihnen jemand
zu Ihrer Problemlage einen negativen Ausblick gibt. Oder sie nehmen auf
Medizinportalen einseitig nur beunruhigende Informationen wahr, die oft
nur der Vollständigkeit halber zu einer bestimmten Symptomatik
bereitgestellt werden.
8.
Wenn Sie Ärzte aufsuchen, um
„auf Nummer sicher“ zu gehen, dann erzählen Sie bei der Schilderung
Ihres Problems auch davon, dass Sie möglicherweise einen leichten Hang
zur Hypochondrie haben. Das ist keine Schande, sondern eine wertvolle
Information für den Arzt, der psychosomatische Ursachen evtl. sonst
nicht erkennt und daraufhin unnötige Therapien anstrengt, die Ihnen
nicht helfen sondern ggf. ihr Krankheitsgefühl noch verstärken.
Letzte Aktualisierung: 02.09.2016
|