Nachdem ich
Herrn Dr. Mück über drei von mir „praktizierte“ Beispiele für Ausstiege
aus alten Muster in Anlehnung an sein Merkblatt „Nervenbahnung“
berichtet hatte, schlug er mir vor, einmal über Thema nachzudenken
"Durch welche Türen Angst in mein Leben eintrat". Seinem Vorschlag folge
ich gerne. Offenbar trat (überdurchschnittliche!) Angst vor allem durch
folgende Tore in mein Leben:
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Nach allem, was ich
über die heutigen Erkenntnisse der Entstehung von Angst gehört und
gelesen habe, dürften die Gründe dafür nicht, ausschließlich in
einer durch „traumatische Erfahrungen“ belasteten Kindheit / Jugend zu
suchen sein, sondern
auch in Teilen meines Erbgutes. Ich habe sie sozusagen teilweise auch
„mit den Genen übernommen“.
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Ich war ohne Zweifel
ein „ängstliches“ Kind. Dafür gibt es Hinweise anderer Personen aus
meiner Kindheit, aber auch meine eigenen Erinnerungen bestätigen das.
Unsere kleine ost-westfälische Dorfgemeinschaft, und mein dortiges
„Ambiente“ waren nicht dazu angetan, „Angstfreiheit leben zu können“.
Krieg und Nachkriegszeit ebenfalls nicht. Meine „religiöse“ Erziehung trug zweifellos ebenfalls zu meiner
heutigen Ängstlichkeit bei. Auch einige schreckliche
Kindheitserfahrungen haben
möglicherweise zur Bahnung meiner späteren Ängste beigetragen. So wurde ich im Rahmen einer Infektion "vom
Hausarzt bereits aufgegeben", schreckte ich einmal nachts auf, als wir
plötzlich Besuch bekamen, und wäre ich bei einer anderen Gelegenheit
fast einmal ertrunken.
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Meine Mutter habe ich
nicht so sehr als hilfreiche und Angst nehmende Bezugsperson erlebt.
(eher eine Tante von mir) Ich „klage“ meine Mutter deswegen „nicht
an“: Denn mein Vater wurde inmitten des Krieges als „vermisst
gemeldet“. Meine Mutter musste daraufhin „seine Postagentur“
übernehmen, dazu ihren sehr kranken Schwiegervater pflegen, ihre zwei
Kinder „versorgen“, dazu teilweise auch weitere Kinder ihrer
Verwandtschaft, die bei uns während des Krieges noch „evakuiert“
waren. Sie hat sehr oft geweint, und war teilweise offensichtlich
völlig überfordert. Vor allem ihre Arbeit hat sie für ihre Kinder als
"Zufluchtsort" wenig „erreichbar“ gemacht. Ich habe mich mitunter kaum
getraut, sie während ihrer Arbeitszeit anzusprechen, weil ich dann
„abgewiesen“ wurde, nicht im üblichen Sinne, aber ganz einfach als
„Störfaktor“. Ich / wir war(en) deswegen sehr oft allein. Meine Mutter
ist mir nicht als „eine liebende Mutter“ in Erinnerung.
Zusammen
mit ihren sieben weiteren Geschwistern
hat sie in ihrer Kindheit ebenfalls wenig Liebe, eher mehr Strenge
erfahren und hat daher nie gelernt, anders mit Kindern umzugehen, Sie
ist zwischenzeitlich verstorben. Daher ich ihr Nichts,
aber
auch gar Nichts „nachzutragen“. „Sie kannte, konnte es nicht anders“.
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Ein „Zitat“, das mich
lange begleitet hat, vielleicht immer noch „ein wenig“ begleitet, mit
Si- cherheit aber mein Leben sehr „geprägt“ hat, lautet: WAS SOLLEN
DIE LEUTE DENKEN?
Dieses Zitat, in einer kleinen dörflichen
Gemeinschaft, und zu Zeiten meiner Kindheit nachweislich nicht nur in
meinem Elternhaus „sehr geläufig“, hat zumindest mich dazu bewogen,
viele meiner Handlungen und Gedanken nach der (vermeintlichen !!!)
Reaktion „anderer Leute“ auszurichten, und nicht nach meinen eigenen
„Wünschen und Wollen“. Es hat mein Verhalten gegenüber den „anderen
Leuten“, wer und wo immer sie sind und waren, in vielen Situationen
bestimmt, teilweise heute noch. (Eine „Baustelle“, an der es in der
Therapie noch zu arbeiten gilt). Diesen „Leuten“ gegenüber habe ich
versucht, das „liebe Kind“ zu sein, das ich zuvor in meinem „Erfahrungsbericht“
erwähnt habe. Seltsamerweise, fast hätte ich gesagt „logischerweise,
habe ich dieses Verhalten bis heute nicht völlig abgelegt. Das „liebe
Kind“ ist auch heute mitunter noch übermächtig, und es ist oft
schwer ihm zu widerstehen, und der „Druck“, ihm nachzugeben sehr groß.
Fehlendes Selbstwertgefühl, wie Dr. Mück das richtigerweise nennt.
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Als Tor fünf der
„Angsteintritte in mein Leben“ würde ich den Übergang vom Schul- in
das Berufsleben sehen. Nach einer in „unserer Gegend“ problematischen
Lehrstellensuche (Radio- und Fernsehtechniker) hat mein anschließender
„väterlicher“ Lehrherr (den ich „sehr mochte“), einen Suizidversuch
unternommen. Sein Betrieb war schon vor Antritt meiner Lehre, und ohne
mein Wissen, in den Konkurs geraten. Er hat das ganz offensichtlich
nicht verwunden. Ich habe sehr darunter gelitten, mir auch große
Sorgen um meine Zukunft gemacht. Außer meiner Mutter, die in dieser
Situation auch völlig hilflos war, gab es niemanden, dem ich mich
hätte anvertrauen können, der mir geholfen hätte. Es war eine
sehr schlimme Zeit für mich. Ich habe mich damals furchtbar hilflos,
allein - sozusagen erneut "vaterlos" gefühlt. Die lange Suche
nach einer zweiten Lehrstelle war ebenfalls sehr schwierig. Nachdem
sie Erfolg hatte, erwies sich der „Lehrbetrieb“ als das denkbar
schlechteste, was einen Lehrbetrieb hätte auszeichnen können. Die
Abwesenheit jeglicher Voraussetzungen, die einen „korrekten“
Lehrbetrieb gewährleistet hätten, wurden in meinem Falle nur noch
übertroffen, von der „Macht“ meines „Lehrherren“, der mich
„gemaßregelt“ hat, (zumindest zu Anfang, später habe ich resigniert.
Noch später war ich ihm dann aufgrund „glücklicher Umstände“ eine
„unersetzliche Hilfe“. Er, der „Rest“ seiner Familie und auch ein Teil
meiner Kollegen, haben mich, wie nie zuvor OHNMACHT spüren
lassen.
Während der zuvor geschilderten „Berufseintrittsphase“ haben sich bei
mir dann erstmalig Angstsymptome gezeigt, die ich in ihrer Bedeutung
aber nicht als solche erkannt habe. Sie verschwanden irgendwann
wieder, waren erträglich, obwohl sie mich bedrückt haben.
Wann immer ich in meinem späteren Leben
Angst (und) oder Ohnmacht über ein gewisses Maß hinaus erfahren habe, hat das mit
einer
zeitlicher Verzögerung zum erneuten Auftritt der Angstsymptomatik,
die sich in der Folge immer mehr verstärkt hat, geführt.
Anmerkung des
Patienten zu seiner "Schreiberfahrung": Ich glaube, an der
von Dr. Mück angeregten "Schreibtherapie" ist "was dran". Sie
konfrontiert einen mehr als die bloßen Gedanken, sich mit seiner
Vergangenheit auseinander zu setzen. Man "spürt" sie intensiver, wenn
man sie "beschreibt". Das so etwas auch aufwühlt, ist wohl der Sinn
einer solchen Therapie. Ich hoffe, es trägt auch in meinem Fall Früchte.
Es drängt einen, so etwas "los zu werden". Es "schlaucht" auch.
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