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Viele Patienten auf Intensivstationen leiden unter einem
stressbedingten Diabetes. Die Gefahren für die Gesundheit werden von
vielen Ärzten unterschätzt. Eine intensivierte Insulintherapie (IIT)
kann den Blutzucker senken und die Überlebenschancen der Patienten
verbessern. Sie wird einem Fortbildungsartikel in der Fachzeitschrift
"AINS - Anästhesiologie • Intensivmedizin • Notfallmedizin •
Schmerztherapie" (Georg Thieme Verlag, Stuttgart. 2008) zufolge jedoch
zu selten eingesetzt.
Stress steigert
den Blutzucker. Für Steinzeitmenschen war dies von Vorteil. Sie
erhielten einen kurzfristigen Energieschub für die Abwehr des
Angreifers – oder für eine schnelle Flucht. Auch Patienten auf
Intensivstationen stehen unter Stress. Allerdings nicht nur
kurzfristig. Die meisten benötigen Tage oder Wochen, um sich von den
Folgen eines schweren Verkehrsunfalls zu erholen oder eine
lebensgefährliche Blutvergiftung (Sepsis) zu überwinden. Viele haben
während dieser Zeit erhöhte Blutzuckerwerte. Sie erhalten dadurch aber
nicht etwa einen Energieschub für die Heilung. Im Gegenteil. Die
Patienten müssen als Diabetiker angesehen werden, schreibt Professor
Thomas Volk von der Berliner Charité. Mehr noch. Während die Folgen
des Diabetes normalerweise erst nach vielen Jahren auftreten, kommt es
beim „Verletzungs-Diabetes“ (Fachwort: Diabetes of injury)
wahrscheinlich schneller zu den üblichen Folgeschäden. Professor Volk:
Das Überangebot an Blutzucker stört die Aktivität der Mitochondrien,
die Kraftwerke in den Zellen. Und das könne bei Schwerstkranken
durchaus zu Organversagen und Tod führen.
Mit einer
intensivierten Insulintherapie kann der Blutzucker gesenkt werden.
Diese Therapie wird jedoch auf Intensivstationen noch zu selten
angewendet. Eine Studie des Kompetenznetzwerks Sepsis ("Sepnet") hat
ergeben, dass weniger als zehn Prozent aller Patienten einen optimalen
Blutzucker haben. Wesentliche Nebenwirkung der IIT ist die eine
Unterzuckerung (Hypoglykämie), die das Leben der Patienten akut
gefährdet. Bei einer regelmäßigen Kontrolle der Blutzuckerwerte könne
dieses Risiko jedoch minimiert werden.
Der technische
Fortschritt kann helfen. In der Entwicklung sind so genannte
Clamp-Systeme. Sie registrieren kontinuierlich den Blutzucker, während
eine Pumpe dem Körper die benötigte Menge Insulin zuführt. Bis zur
Einführung dieser Technik müssen die Ärzte den Blutzucker noch durch
Einzelmessungen überprüfen. Einige Intensivstationen verfügen laut
Volk bereits über elektronische Krankenakten, die sie automatisch an
die notwendigen Untersuchungen erinnern.
U. Haase et al.:
Intensivierte Insulintherapie - Indikationen und Umsetzung.
AINS - Anästhesiologie • Intensivmedizin • Notfallmedizin •
Schmerztherapie 2008; 43 (2): S.114-119