fzm - Früher rieten Ärzte ihren Krebspatienten zur Ruhe, damit diese die
Strapazen der Therapie besser verkraften. Vor allem todkranken Patienten
wollten sie jegliche Unannehmlichkeiten ersparen. Inzwischen hat bei
vielen Therapeuten ein Umdenken eingesetzt. Ähnlich wie bei den
Herzinfarkt-Patienten, die sich in und nach der Reha-Behandlung in
Herzsportgruppen treffen, gibt es in Deutschland bereits mehr als 600
Gruppen, die "Sport in der Krebsnachsorge" anbieten. Das Ziel ist die
Steigerung der körperlichen Ausdauer und des psychischen Wohlbefinden.
Experten wie Prof. Horst Michna von der Technischen Universität München
sind überzeugt, dass Sport die Abwehrkräfte mobilisiert. Es gebe sogar
Hinweise, dass die körpereigene Krebsabwehr gestärkt werde, schreibt der
Mediziner in der Deutschen Zeitschrift für Onkologie (Haug Verlag,
Stuttgart. 2005), die sich in ihrer aktuellen Ausgabe schwerpunktmäßig
mit dem Thema Krebs und Sport beschäftigt.
Prof. Michna empfiehlt ein auf die
Erkrankung abgestimmtes Trainingsprogramm. Nicht die Leistung zähle,
sondern die Regelmäßigkeit. Geeignet seien "Walking" und Übungen auf dem
Heimtrainer. Auch ein gewisses Krafttraining könne nicht schaden,
vorausgesetzt, die Krebspatienten übertreiben nicht. Ideal seien zwei
bis drei Trainingseinheiten pro Woche. Wichtig dabei: Das Sportprogramm
sollte unbedingt mit dem Arzt abgesprochen sein.
Viele Mediziner beurteilen die Wirkung
des Sports so positiv, dass sie die Patienten bereits während der
Chemotherapie damit beginnen lassen. Prof. Klaus Schüle von der
Deutschen Sporthochschule in Köln hat in einer Studie Patienten
trainiert, die sich einer Knochenmarktransplantation unterzogen hatten.
Dieser Behandlung geht die aggressivste Chemo- und Strahlentherapie
voraus, die in der Medizin überhaupt durchgeführt wird. Dabei werden
Tumorzellen in Blut und Knochenmark vernichtet, was nur zum Preis einer
Zerstörung des eigenen Blut bildenden Gewebes möglich ist. Die
Transplantation liefert dann die für die Erholung notwendigen
Stammzellen. Diese Patienten werden nach der Behandlung in Einzelzimmern
isoliert, um sie vor lebensbedrohlichen Keimen zu schützen. "Dies führt
zu einem Teufelskreis aus Bewegungsmangel und abnehmender
Leistungsfähigkeit, welche die Erholung nach der Therapie verlangsamt
und den Bewegungsmangel verstärkt", schreibt Prof. Schüle. An einer
Spezialklinik für Knochenmarktransplantationen in Idar-Oberstein wurden
die Patienten mit Ergometern im Krankenzimmer trainiert. Damit gelang es
den Teufelskreis zu durchbrechen. Ein- bis zweimal pro Tag durften die
Patienten für 10 bis 20 Minuten trainieren, solange keine akuten
Komplikationen wie Fieber, Blutungen, Erbrechen oder andere Störungen
vorlagen. Prof. Schüle: "Die Patienten erholten sich körperlich und
psychisch besser als eine Kontrollgruppe, in der nur eine leichte
Krankengymnastik (Bewegungstherapie) angeboten wurde." Der
Sportmediziner versteht Sport als "Brücke" zwischen Krebstherapie und
der Rückkehr in den Alltag - oder in den Tod. Er bietet die Therapie
nämlich auch jenen Patienten an, denen es trotz der
Knochenmarktransplantation nicht gelang, den Krebs zu besiegen. Prof.
Schüle: Auch diese Menschen erlebten in ihren letzten Lebenstagen einen
Gewinn an Lebensqualität.
F.T. Baumann et al.:
Auswirkungen von Bewegungstherapien bei und nach
Knochenmark-/Stammzelltransplantation
Deutsche Zeitschrift für Onkologie 2005; 37 (4): 152-158
T. Schulz et al.:
Bewegungstherapie und Sport in der Krebstherapie und -nachsorge
Deutsche Zeitschrift für Onkologie 2005; 37 (4): 159-168
Weitere Artikel
K. Schwarzer et al.:
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Deutsche Zeitschrift für Onkologie 2005; 37 (4): 178-183
Das Interview
Sportliche Aktivität bei Krebserkrankungen. Ein Gespräch mit
Privatdozent Dr. Fernando Dimeo
Deutsche Zeitschrift für Onkologie 2005; 37 (4): 189-190 |