fzm - Trotz einer exponentiell steigenden Lebenserwartung und dem
Zurückgehen vieler Krankheiten vergrößern sich die Unterschiede bei
Krankheit und Tod je nach Zugehörigkeit zur sozialen Unter- oder
Oberschicht. Menschen mit weniger als 1.500 Euro monatlichem
Bruttoeinkommen haben eine um neun Jahre kürzere Lebenserwartung als
Zugehörige zur sozialen Oberschicht mit über 4.500 Euro monatlich.
Diese auch als Schichtgradient bezeichneten Verwerfungen nehmen zu.
Ein Aufsatz in der Zeitschrift "DMW Deutsche Medizinische
Wochenschrift" (Georg Thieme Verlag, Stuttgart. 2008) analysiert
einige Ursachen dieser sozialen Ungleichheiten von Gesundheit und
Krankheit. Dies gibt Anhaltspunkte für Möglichkeiten zur Intervention.
Es ist keine neue
Erkenntnis, dass finanzielle Einschränkungen mitverantwortlich sind
für einen schlechteren Gesundheitszustand und für eine kürzere
Lebenserwartung. Wenn es auch primär so aussieht, als ob daran ebenso
wenig etwas zu ändern ist wie an den unterschiedlichen Arbeits- und
Wohnbedingungen, so gibt es doch sowohl politisch als auch sozial eine
Reihe von Möglichkeiten, die Situation der Einkommensschwachen zu
verbessern. Schwieriger wird die Verbesserung der Bildung und vor
allem gesundheitsrelevanten Wissens und Verhaltens in der sozialen
Unterschicht – beides sind Voraussetzung für einen gesunden
Lebensstil. Auch im psychosozialen Bereich sind Verbesserungen
denkbar. Sozial besser Gestellte sind weniger Stress ausgesetzt und
verfügen über bessere soziale Netzwerke.
Auch
Schwangerschaft und Geburt sowie die Fürsorge um das Baby sind
kritische Perioden für die spätere Entstehung von psychischen und
somatischen Krankheiten. Die gesundheitlichen Startchancen der
betroffenen Kinder werden vom Verhalten der Mütter bereits vor der
Geburt und in den ersten Jahren danach beeinflusst. Die hier
anzutreffenden Verhaltensweisen der Mütter sind schichtspezifisch sehr
verschieden. Armut begünstigt die Entwicklung einer Depression im
Anschluss an die Entbindung. Wie die Zeitschrift "PPmP Psychotherapie,
Psychosomatik, Medizinische Psychologie" (Georg Thieme Verlag,
Stuttgart. 2008) aufgrund einer amerikanischen Untersuchung berichtet,
litt bei einem Monatseinkommen unter 600 Euro mehr als jede vierte
Frau unter einer solchen postnatalen Depression, während bei einem
Monatseinkommen über 4.000 Euro nur jede 15 Frau betroffen war. Frauen
mit niedrigem Einkommen, geringer beruflicher Anerkennung oder
schlechter Bildung fehlen wichtige Bewältigungsmechanismen, nämlich
Geld, Prestige und Durchsetzungsfähigkeit.
S. Schneider:
Soziale Schichtunterschiede in Morbidität und Mortalität: Was sind die
Ursachen?
DMW Deutsche Medizinische Wochenschrift 2008; 133 (6); S. 256-260
R. Meyer:
Armut begünstigt postpartale Depression.
PPmP Psychotherapie, Psychosomatik, Medizinische Psychologie 2008; 58
(2); S. 42