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Früher waren Frauen, die ein Kind erwarteten, einfach "guter
Hoffnung". Heute erscheinen Schwangerschaft, Geburt und die Pflege
eines Säuglings vielen Frauen vor allem als komplizierte
Angelegenheit, die Sorgen und Ängste weckt. Warum dies so ist,
versucht Ingrid Löbner in der Fachzeitschrift "Die Hebamme" zu
ergründen (Hippokrates Verlag, Stuttgart. 2008). In ihrem Beitrag geht
die bei ProFamilia in Tübingen tätige Diplompädagogin auch auf
mögliche Gegenmaßnahmen ein, die Frauen neues Vertrauen in ihr eigenes
(körperliches) Können vermitteln können.
Einen der
Gründe für die zunehmende Verunsicherung sieht Ingrid Löbner darin,
dass sich die Lerninhalte in den Schulen verschoben haben. "Kinder und
Jugendliche lernen heute viel, aber nichts mehr zum Thema
Schwangerschaft, Geburt und Säuglingspflege", so Löbner. Wurde früher
im Fach "Hauswirtschaft" noch praktisches Wissen zu diesem
Themenkomplex vermittelt, ist er heute nahezu völlig aus dem Lehrplan
verschwunden. Für die meisten jungen Leute beginnt die
Auseinandersetzung mit dem Thema daher erst dann, wenn das erste
eigene Kind unterwegs ist. Dann versuchen sie eilig, ihr Wissen
mithilfe von Ratgeber-Büchern aufzubessern. An die Stelle praktischer
Anschauung tritt somit zunehmend die theoretische, stark medizinisch
geprägte Information. "Heute ist jede Schwangere voll mit vielfältigem
Wissen über alle möglichen Gefahren und Risiken ihres Zustands", fasst
Ingrid Löbner diese Entwicklung zusammen.
Von Ängsten und
Sorgen bei der ersten Schwangerschaft ist nicht nur die werdende
Mutter betroffen – auch junge Männer sehen der Familiengründung eher
beunruhigt entgegen. In ihrer Unsicherheit möchten manche Paare alles
am liebsten so schnell wie möglich in die Hände von Experten legen: In
die von Hebammen, Ärzten, Erziehungs-Fachleuten. Viele Frauen trauen
sich und ihrem Körper eine natürliche Geburt nicht mehr zu und
verlangen von vorneherein nach PDA oder Kaiserschnitt.
Wie Ingrid
Löbner betont, richtet sich ihr Artikel nicht gegen die
Errungenschaften der modernen Medizin. "In ernsten Situationen ist sie
ein wirklicher Segen und kann ganz entscheidend dazu beitragen, dass
Mutter und Kind unbeschadeter daraus hervorgehen als dies früher der
Fall war." Diese Erfolge müssten ausdrücklich anerkannt und
wertgeschätzt werden. Sie dürften bei Schwangeren jedoch nicht das
Gefühl entstehen lassen, dass eine Geburt aus eigener Kraft eigentlich
gar nicht zu schaffen ist. Auch nach der Geburt scheinen viele junge
Eltern sich permanent überlastet zu fühlen. "Die Ankunft eines
Winzlings krempelt den Alltag komplett um und macht ihn größtenteils
unplanbar", so Löbner, die auch als psychoanalytische Paarberaterin
tätig ist. Mit einem solchen Kontrollverlust umzugehen, haben Frauen
wie Männer heute nicht mehr gelernt - zu sehr sind beide Geschlechter
in der Berufswelt verankert. Die dort gültigen Kriterien wie
Kontrollierbarkeit, Machbarkeit, Planbarkeit sind für die junge Mutter
– oder auch das "neugeborene" Paar – plötzlich nicht mehr gefragt. Die
jungen Eltern müssen daher völlig umlernen: Dass es richtig und sogar
notwendig ist, Kontrolle abzugeben, eigene Wünsche hintanzustellen und
auch mal nichts anderes zu schaffen als sich "nur" um den Winzling mit
seinen zunächst grenzenlosen, aller Planung entzogenen Bedürfnissen zu
kümmern. Der Weg hin zu mehr Gelassenheit führt für Ingrid Löbner vor
allem über die Hebamme. Für viele Frauen ist diese die wichtigste
Ansprechpartnerin in der Phase um die Geburt. Bereits im
Geburtsvorbereitungskurs müsste den Frauen noch stärker das Gefühl des
Vertrauens in den eigenen Körper und in ihr Loslassen-Können
mitgegeben werden: Statt alles unter Kontrolle haben zu wollen,
müssten die Frauen auch lernen, sich den Lebensprozessen in ihrer
Unkontrollierbarkeit und der darin liegenden Ohnmacht zu überlassen.
Auch mit
Kursangeboten für Kinder hat Ingrid Löbner gute Erfahrungen gemacht:
In ihren "Babysitterkursen" können bereits unter-12-Jährige an
Säuglingspuppen üben, wie man ein Baby gut versorgt. "Ganz spielerisch
trainieren die Kinder dabei ihre Ausdauer, ihr motorisches Geschick
und ihr Gefühl", sagt Löbner - und hofft, damit den Kindern etwas von
der Erfahrung mitgeben zu können, die sich früher in Großfamilien
durch die Geburt jüngerer Geschwister, Nichten, Neffen, Cousins und
Cousinen ganz von selbst einstellte.
I. Löbner:
Warum sind die Frauen heute unsicherer im Umgang mit Geburt und erstem
Kind?
Die Hebamme 2008; 21 (1): S.45-49