fzm - Menschen, die in Stress-Situationen
äußerlich gelassen wirken, sind in Wirklichkeit häufig innerlich stark
anspannt. Dies ist aus Sicht von Psychologen eine äußerst ungünstige
Stressverarbeitung, die langfristig die Gesundheit gefährdet. Bei einem
vorgeschädigten Herzen kann die "coole Haltung" sogar eine tödliche
Herzrhythmusstörung auslösen, wie eine Studie in der aktuellen Ausgabe
der DMW Deutsche Medizinische Wochenschrift (Georg Thieme Verlag,
Stuttgart, 2004) zeigt. Der
Diplom-Psychologe Tobias Klein von der Universität Homburg/Saar
untersuchte Patienten, denen wegen einer schweren Herzerkrankung ein
sogenannter automatischer Kardioverter-Defibrillator (ICD) eingepflanzt
wurde. Dies geschieht bei Menschen, die aus organischen Gründen ein
erhöhtes Risiko auf einen plötzlichen Herztod haben. Der ICD kann die
bedrohliche Herzrhythmusstörungen selbstständig erkennen und sie durch
einen Stromstoß beenden. Wie häufig dies geschieht, ist natürlich vor
allem von der organischen Grunderkrankung abhängig. Aber auch die Art,
wie die Patienten auf Psychostress reagieren, kann eine Rolle spielen.
Klein stellte den Patienten Kopfrechenaufgaben, die gerade so schwierig
waren, dass sie zu 40 Prozent "patzten". Der Ärger darüber führt zu
unterschiedlichen Stress-Reaktionen. Bei einigen Menschen beginnt das
Herz schneller zu schlagen, von Klein als "Herzphobie" bezeichnet.
Andere sind muskulär verspannt und depressiv. Klein spricht von einem "Negativismus".
Wieder andere Menschen offenbaren in Psychotests ein erhöhtes
Kontrollbedürfnis.
Alle drei Reaktionstypen schaden dem
Herzen nicht. Die Patienten hatten während der etwa 30 Monate, die sie
einen ICD trugen, keine erhöhte Entladungsfrequenz.
Anders die Patienten, die den
Prüfungsstress am "coolsten" wegsteckten. Während des Rechentests hatte
sich bei ihnen die Atmung verlangsamt und die Muskeln hatten sich
entspannt. Doch für den Psychologen ist diese Stressverarbeitung, die
Klein als "Totstellreflex" bezeichnet, die gefährlichste. Klein deutet
sie als Zeichen für eine - äußerlich nicht erkennbare - erhöhte
Belastungsempfindung. Die Folge sei eine vermehrte Ausschüttung des
Stresshormons Kortisol aus der Nebenniere. Das Hormon erhöht die
Anfälligkeit des Herzens für Herzrhythmusstörungen. Dies erklärt, warum
es bei Patienten mit "Totstellreflex" auf lange Sicht am häufigsten zu
Entladungen des ICDs kam.
T. Klein et al.:
Klinische Bedeutung von Stressreaktivität für die
Häufigkeit von Schockabgaben bei Patienten mit implantiertem
Kardioverter-Defibrillator
Deutsche Medizinische Wochenschrift
2004; 129 (43): 2291-2294
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