fzm - Das Verhältnis der Deutschen zu ihren
Hausärzten hat sich gewandelt. Während man es früher weitgehend dem Arzt
überließ, die richtige Therapie auszuwählen, möchten die meisten
Menschen inzwischen in die Entscheidung einbezogen werden. Dies ergab
eine Umfrage unter über 3.000 Erwachsenen, deren Ergebnisse jetzt in der
DMW Deutsche Medizinische Wochenschrift (Georg Thieme Verlag, Stuttgart,
2004) vorgestellt wurden. Auf die
Frage, wer im Allgemeinen über eine Behandlung bestimmen sollte,
sprachen sich 57 Prozent für eine gemeinsame Entscheidung von Arzt und
Patient aus. Diese Haltung ist vor allem bei jüngeren Erwachsenen
verbreitet. Hier gibt es auch eine wachsende Zahl von Menschen, welche
die "Zügel selbst in die Hand nehmen" möchte, sich also auch gegen den
Rat ihres Arztes für eine andere Therapie entscheiden würden, berichtet
Dr. Martin Butzlaff von der Universität Witten/Herdecke. Nur 16 Prozent
der 25-34-Jährigen würden sich vorbehaltlos in die Entscheidung des
Arztes fügen. In der Generation der über 65-Jährigen sind dies immerhin
noch 40 Prozent. Sie sind noch mit einer paternalistischen Medizin
aufgewachsen, in welcher dem Arzt als "Übervater" bedingungslos vertraut
wurde. Diese Haltung ist heute noch in der Unterschicht verbreitet sowie
bei akut Erkrankten. Tatsächlich gibt es laut Butzlaff eine Reihe von
akuten Erkrankungen, von der Gallenkolik bis zum schweren Unfall, in
denen die Mitentscheidung des Patienten nur eingeschränkt oder gar nicht
möglich ist.
Auch die meisten Ärzte favorisieren laut
Butzlaff die gemeinsame Entscheidung, die im Fachjargon als "Shared
Decision Making (SDM)" bezeichnet wird. Doch Anspruch und Wirklichkeit
decken sich nicht immer. In der aktuellen Umfrage gab nämlich nur jeder
vierte Patient an, dass der Arzt sie schon einmal aufgefordert hätte,
offene Fragen zur Erkrankung zu stellen. Dies ist laut Butzlaff aber
eine Voraussetzung für ein offenes Arzt-Patienten-Verhältnis. Vielen
Ärzten fehlen noch die "kommunikativen Fähigkeiten" für eine SDM,
vermutet Butzlaff. Es gebe einen Nachholbedarf: "Verglichen mit anderen
europäischen Ländern hat Deutschland die kürzesten und am meisten
Arzt-zentrierten Gespräche."
B. Floer et al.:
Shared Decision Making - Gemeinsame Entscheidungsfindung
aus Patientenperspektive
Deutsche Medizinische Wochenschrift 2004; 129 (44):
2343-2347
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