Berlin - Die Deutsche Gesellschaft für Chirurgie (DGCh) setzt sich für
einen offenen Umgang mit Komplikationen und Behandlungsfehlern in
Krankenhäusern ein. Eine funktionierende "Fehlerkultur" zeige Schwächen
im System frühzeitig auf und erhöhe die Patientensicherheit, bekräftigt
Professor Dr. med. Hartwig Bauer, Generalsekretär der DGCh. Die
Fachgesellschaft erwägt, ein freiwilliges Meldesystem einzuführen.
In Deutschland erfassen Rechtsmediziner
jährlich etwa 40.000 Vorwürfe von Behandlungsfehlern. In Fällen mit
Todesfolge treffen sie am häufigsten die Chirurgie - verglichen mit
anderen Fachgebieten bei nahezu einem Drittel. Dies ergab eine aktuelle
Studie des Instituts für Rechtsmedizin an der Universität Bonn im
Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung (BMGS).
Sie zeigte aber auch, dass in nur knapp sieben Prozent der Fälle die
Vorwürfe zutrafen. In den chirurgischen Fächern ist damit die Quote
dieser "bejahten Behandlungsfehler" unterdurchschnittlich.
Eine komplikationsfreie Chirurgie werde
es nie geben, sagt Professor Bauer: "Die Null-Fehler-Attitude darf
deshalb nicht länger die Regel sein." Entscheidend sei es, mögliche
Komplikationen zu reduzieren und Fehler zu vermeiden. Aufsehenerregende
Fälle wie etwa die Amputation eines gesunden Beines würden häufig als
Versagen eines Einzelnen angesehen. Doch in der Regel haben sie
vielfältige Ursachen: Kommunikationsprobleme, Überlastung, Mangel an
qualifiziertem Personal oder fehlende Ausrüstung führten erst in der
Summe zum Schaden.
Sichere Chirurgie braucht sichere
Ressourcen. "Dies gilt in besonderem Maße für die 'Ressource Arzt'",
sagt Professor Bauer. Denn ein Kommunikationsdefizit - die größte
Fehlerquelle - lässt sich nur verhindern, wenn Ärzte Zeit haben mit
Mitarbeitern und Patienten zu sprechen. Indem der behandelnde Arzt den
Patienten umfassend aufklärt, stärkt er das Vertauensverhältnis. "Viele
Behandlungsfehlervorwürfe ließen sich vermeiden, wenn sich Patienten
durch ihren Arzt ausreichend beachtet und ernst genommen fühlten", so
Professor Bauer.
Die DGCh schlägt unter anderem
freiwillige, anonyme Meldesysteme für Fehler und unerwünschte Ereignisse
im Sinne eines "Critical Incident Reporting" vor. Dies zeigt Schwächen
auf, bevor diese sich zu Komplikationen ausweiten. Grundlegend seien
transparente Abläufe - vor allem auch an Schnittstellen, vollständige
Dokumentation und klare Arbeitszeiten. Nicht ausreichend trainierte
Chirurgen würden selbst zum Risikofaktor.
"Von einer 'Fehlerkultur' sind wir noch
weit entfernt", so Professor Bauer. Doch um aus Fehlern zu lernen, müsse
man sie nicht selbst machen. Für einen offenen Umgang sei es notwendig,
dass alle Beteiligten ihre Denkweise änderten.
Quelle: Deutsche Gesellschaft für
Chirurgie 2005 |