fzm - Die Entscheidung, einem engen Angehörigen ein Organ zu spenden und
ihm dadurch vielleicht das Leben zu retten, fällt nicht allen Menschen
leicht. Dies gilt insbesondere bei der Lebertransplantation. Sie ist für
den Lebendspender nicht ungefährlich (auch wenn Todesfälle mit einer
Rate von 0,2 bis 0,7 Prozent selten sind), und nach der Operation dauert
es oft mehrere Monate bis sich die Leber des Spenders wieder erholt hat.
An der Berliner Charité ließ man die ersten 87 möglichen Spender für die
Lebendlebertransplantation, die dort seit Dezember 1999 durchgeführt
wird, deshalb von einem Team von Psychiatern untersuchen. Diese
berichteten kürzlich in der DMW Deutschen Medizinischen Wochenschrift
(Georg Thieme Verlag, Stuttgart, 2005) über ihre Erfahrungen.
Zu Beginn ihres Gesprächs mit den
Psychiatern waren die meisten Spender hoch motiviert, erinnert sich Dr.
Marc Walter von der Universität Basel, der die aufgezeichneten Gespräche
wissenschaftlich ausgewertet hat. Fast alle stellten sich als
"super-gesund" vor und zeigten sich in hohem Maße selbstlos. Im weiteren
Gespräch offenbarten viele dann doch ihre innere Unsicherheiten. Dieses
Schwanken zwischen der moralischen Verpflichtung zur Spende und den
Ängsten vor der Operation und deren Folgen war bei jedem zehnten
Patienten so groß, dass die Psychiater sich gegen eine Spende
aussprachen, auch um die Spender vor möglichen psychischen Schäden zu
schützen. "Einige reagierten erleichtert auf die Mitteilung, nicht
spenden zu müssen", schreibt Dr. Walter.
Diejenigen Patienten, welche die
Psycho-Tests bestanden, haben die Spende psychisch gut verkraftet. Bei
den Nachgesprächen sechs Monate und ein Jahr nach der Operation hatten
alle Spender ihr seelisches Gleichgewicht wieder gefunden, obwohl jeder
Fünfte (22 Prozent) eine postoperative Komplikation erlitt. Häufig waren
dies Probleme an den Gallengängen, die aber niemals eine Nachoperation
notwendig machten. Nur eine Spenderin wurde wegen einer Nachblutung
erneut operiert. Bei allen Spendern erholte sich die Leber wieder: Nach
sechs Monaten hatte sie 72 Prozent, nach einem Jahr 85 Prozent der
ursprünglichen Größe erreicht.
"Die Wiedereingliederung in die frühere
Tätigkeit war nach durchschnittlich 3,5 Monaten abgeschlossen und kein
Spender hat (übereinstimmend mit anderen Studien) die Entscheidung zur
Organspende im Rückblick bereut", versichert Dr. Walter. Der Psychiater
rät dennoch dringend, allen Spender psychologische Hilfen vor und nach
der Operation anzubieten. Niemals dürfe der Entscheidungsprozess
möglicher Spender forciert werden.
M. Walter et al.:
Psychische und somatische Aspekte der Leberlebendspende: Präoperative
Evaluation und postoperativer Verlauf
Deutsche Medizinische Wochenschrift 2005; 130 (30): 1749-1755 |