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- Die
Welt der Waren ist verführerisch. So verführerisch, dass sechs Prozent
der Ostdeutschen und acht Prozent der Westdeutschen viel mehr kaufen
als sie sich leisten können. Sie gelten als "kaufsuchtgefährdet". Dass
krankhaftes "Shoppen" alles andere als harmlos ist, beweist nun eine
Studie der Ärztin und Psychologin Astrid Müller in der Fachzeitschrift
"PPmP – Psychotherapie Psychosomatik und Medizinische Psychologie"
(Georg Thieme Verlag, Stuttgart. 2009). Sie verglich den psychischen
Gesundheitszustand von 30 kaufsüchtigen Personen mit einer gesunden
und einer essgestörten Kontrollgruppe. Dabei zeigte sich: Kaufsüchtige
sind nicht nur im Schnitt mit zirka 45 000 Euro verschuldet – sie
leiden auch sehr häufig unter Depressionen, Angst- und
Persönlichkeitsstörungen.
"Die Ergebnisse
verdeutlichen das immense Ausmaß psychischer Komorbidität bei
Patientinnen mit pathologischem Kaufverhalten", resümiert Müller vom
Universitätsklinikum Erlangen. In Zahlen: 80 Prozent der Kaufsüchtigen
leiden unter schweren Ängsten, 63 Prozent unter Depressionen, 23
Prozent unter Essstörungen. Angesichts dieser Ergebnisse stellt sich
die Frage, ob "Kaufsucht" überhaupt eine eigenständige Störung
darstellt. "Ganz offensichtlich", schreibt Müller, "handelt es sich
zumindest bei der hier untersuchten Stichprobe von kaufsüchtigen
Patientinnen um ein psychisch sehr krankes Kollektiv, sodass
diskutiert werden muss, ob pathologisches Kaufverhalten nicht besser
als eine Begleiterscheinung anderer psychischer Erkrankungen
verstanden werden sollte." Denkbar sei etwa, dass Kaufsüchtige unter
einer Zwangserkrankung oder unter einer so genannten
Borderline-Störung litten. Doch noch sei es zu früh, diese Frage
wissenschaftlich zu beantworten, so Müller. Auch dürfe eine solche
Diskussion nicht dazu führen, Kaufsucht zu verharmlosen.
Fest steht: Wer
kaufsüchtig ist, der spürt regelmäßig einen unwiderstehlichen
Kaufimpuls in sich. Dieser Drang führt dazu, dass er unnötige Waren
kauft, die das finanzielle Budget bei weitem übersteigen. Die
Kaufhandlungen sind sinn- und maßlos, die gekauften Produkte häufig
unnötig. "Die Patienten", so Müller, "zeigen irrationale Konsummuster,
indem sie ihren Kauf nicht am Bedarf orientieren, die Waren nicht
nutzen und längerfristige Handlungskonsequenzen ausblenden." So
wundert es beispielsweise nicht, dass alle von Müller untersuchten
kaufsüchtigen Probanden verschuldet waren – und 23 Prozent von ihnen
bereits eine Schuldnerberatung kontaktiert hatten.
"Es kann davon
ausgegangen werden", meint Müller, "dass es sich beim pathologischen
Kaufen um ein kulturelles Problem handelt, das in Entwicklungsländern
vermutlich nicht beobachtet werden kann und bisher nur in
Industrieländern untersucht wurde." Doch auch in den westlichen
Ländern gibt es bislang kaum Studien zum Phänomen der Kaufsucht. Das
ist insofern erstaunlich, als dass die Gruppe potenziell gefährdeter
Menschen groß ist. Die wenigen gegenwärtig vorliegenden Befunde legen
den Schluss nahe, dass Kaufsucht nicht mit Medikamenten behandelbar
ist – stattdessen aber mit Verhaltenstherapie.
A. Müller et al.: Pathologisches
Kaufen und psychische Komorbidität.
PPmP – Psychotherapie Psychosomatik Medizinische Psychologie 2009; 59
(8): S. 291-299