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Seit es Kaffee gibt, streiten die Gelehrten darüber, ob sein Genuss der
Gesundheit förderlich ist, oder aber wegen seiner verderblichen
Wirkungen verboten gehört. Heute ist die Einschätzung der Mediziner
überwiegend positiv, berichtet ein Arzneimittelspezialist in der
Weihnachtsausgabe der Fachzeitschrift "DMW Deutsche Medizinische
Wochenschrift" (Georg Thieme Verlag, Stuttgart, 2006).
Wie Kaffee wirkt, wurde laut Privatdozent
Matthias Bödding, ein Pharmakologe der Universität Homburg/Saar, erst im
letzten Jahr, abschließend geklärt – mit Hilfe von Genmäusen.
Versuchstiere, denen ein bestimmter Rezeptor für den Signalstoff
Adenosin aus dem Erbgut entfernt wurde, zeigten in einer experimentellen
Studie chinesischer Forscher keinerlei Anzeichen einer stimulierenden
Wirkung, selbst wenn ihnen die Menge von drei Tassen Kaffee auf einmal
verabreicht wurde. Täglich eine Tasse Kaffee oder Tee ließ Gustav III.
(1746-1792) – in einer der ersten wissenschaftlichen Experimente – jeden
Tag zwei zum Tode Verurteilten einflößen, in der festen Überzeugung,
dass der Kaffee den einen von ihnen schon bald vergiften werde. Beide
Probanden sollten, so Dr. Bödding, sowohl den Schwedenkönig als auch die
Mediziner überleben, die sich an den aus heutiger Sicht ethisch höchst
bedenklichen Versuchen beteiligten.
Heute gilt Kaffee als ungiftig,
jedenfalls bis zu einer Menge von fünf bis zehn Gramm Coffein. So viel
Wirkstoff ist in etwa 100 Tassen Kaffee enthalten, weshalb das Leben von
Voltaire (50 Tassen/Tag) und Balzac (30 Tassen/Tag) niemals gefährdet
war. Kaffee wird auch nicht als Suchtdroge eingestuft, obwohl die
Mehrzahl der Deutschen, die mehr Kaffee als Bier, Wein oder reines
Wasser trinken, sich als abhängig bezeichnen würde. Niemand fordert mehr
ein Verbot. Das letzte fiel am 1. Januar 2004. An diesem Tag wurde
Coffein von der Dopingliste gestrichen.
Starker Kaffee ist laut Dr. Bödding ein
wirksames Medikament. Das mit dem Coffein verwandte Theophyllin ist ein
verbreitetes Asthmamittel. Kaffee ist auch in manchen Schmerzmitteln
enthalten. Viele Pharmakologen kritisieren dies, da die stimulierende
Wirkung zur häufigen Einnahme verführe, bis die Schmerzmittel die Nieren
schädigen, weiß der Arzneispezialist Dr. Bödding zu berichten.
Für Kinder gilt Kaffee als ungeeignet,
Mediziner setzen Coffein jedoch schon einmal bei Frühgeborenen ein, als
anregendes Mittel bei zu schwacher Atmung und zu langsamem Herzschlag.
Und es wird laut Dr. Bödding ernsthaft
diskutiert, ob Kaffee, der in großer Menge zu unregelmäßigem Herzschlag
führen kann, in Maßen nicht vor Zivilisationskrankheiten schütze. Nach
einer neueren Studie erkranken Menschen, die täglich vier bis sechs
Tassen trinken, zu 30 Prozent seltener an Diabetes. Obwohl einigen
Menschen nach zu starkem Kaffee schon einmal die Hand zittert, erkranken
nach einer anderen Studie Vieltrinker seltener an der Parkinsonschen
Schüttellähmung.
Ein Selbstversuch kann nicht schaden. Nur
Schwangeren und stillenden Müttern wird heute von mehr als ein bis zwei
Tassen pro Tag abgeraten. Coffein tritt nämlich in den Blutkreislauf des
Ungeborenen über. Und Muttermilch kann unverhofft zu einem anregenden
Getränk für schreiende Säuglinge werden.
M. Bödding:
Kaffee muss heiß sein wie die Hölle, schwarz wie der Teufel, rein wie
ein Engel und süß wie die Liebe
DMW Deutsche Medizinische Wochenschrift 2006; 131 (51/52): S. 2889-2894 |