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Zwar kann sich bei der Nutzung des Internet eine Abhängigkeit, sprich
Sucht, entwickeln, aber es handelt sich dabei nicht, wie etwa bei der
Alkoholsucht, um eine eigenständige Erkrankung. Die Vielnutzer surfen,
betreiben E-Mailverkehr, Echtzeitkommunikation in den Chatrooms sowie
Online-Rollenspiele mit der Gefahr durch Aufbau von virtuellen
Identitäten. Bei Online-Auktionen kann ein pathologisches
Kaufverhalten entstehen. Beim Knüpfen von virtuellen Freundschaften
oder intimen Beziehungen (Cybersex) bemühen sich die Nutzer um eine
virtuelle Selbstdarstellung. Wie ein Aufsatz in der Zeitschrift
"Psychiatrische Praxis" (Georg Thieme Verlag, Stuttgart. 2008)
erläutert, handelt es sich um eine pathologische Internetnutzung, bei
der meist andere psychiatrische Erkrankungen diagnostiziert werden,
vor allem Angst- und depressive Störungen. Die Betreffenden verbringen
30 Stunden pro Woche und mehr privat im Internet (Normal-Nutzer bis 18
Stunden pro Woche). Sie verspüren einen starken Drang zur
Aufrechterhaltung der privaten Internetnutzung trotz negativer
psychosozialer Folgen, wie sozialem Rückzug, Partnerschaftskonflikten
oder finanziellen und beruflichen Problemen. Den Nutzern gelingt es
trotz Leidensdruck und Problembewusstsein nicht, die online verbrachte
Zeit zu kontrollieren und zu reduzieren. Die Studie ergab, dass bei 90
Prozent der Personen mit pathologischer Internetnutzung eine
psychiatrische Diagnose gestellt werden konnte, was in guter
Übereinstimmung mit ausländischen Untersuchungen steht. Nur drei
Probanden der Gruppe mit pathologischer Internetnutzung wiesen keine
psychiatrische Diagnose auf. Kausalzusammenhänge sind bis jetzt nicht
bekannt.
S. Kratzer:
Ist "Internetsucht" eine eigenständige Erkrankung?
Psychiatrische Praxis 2008; 35 (2): S. 80-83