fzm - In unserem Kulturkreis ist Schmerz
negativ besetzt. Wir versuchen körperliche Schmerzen in der Regel mit
Hilfe von Medikamenten zu vermeiden. Auch bei der Geburt spielen
Betäubung und Kaiserschnitt eine immer größere Rolle. "Es ist heute für
Frauen schwierig geworden den Schmerz der Geburt zu akzeptieren, da er
in unserer Gesellschaft nicht wertgeschätzt wird", erläutert die
freiberufliche Hebamme Monika Schmid aus Stuttgart. Im Gespräch mit
ihrer in Italien praktizierenden Kollegin Verena Schmid diskutiert sie
in der aktuellen Ausgabe "Die Hebamme" (Hippokrates Verlag, Stuttgart,
2005) über die Bedeutung des Geburtsschmerzes.
Die Wahl zwischen einer schmerzhaften und
einer vermeintlich schmerzfreien Geburt, vor die sich viele Frauen
gestellt sehen, sehen die Expertinnen kritisch. Denn auch wenn sich die
werdenden Mütter für eine Betäubung entscheiden, müssen sie eine Zeit
lang die Wehenschmerzen ertragen. Indem sie den Schmerz innerlich
ablehnen und ein Gegenmittel erwarten, können sie nicht auf die Wehen
reagieren und empfinden diese als noch schmerzhafter. Auch ein
Kaiserschnitt verläuft keineswegs ohne Schmerzen, sie treten lediglich
später auf. "Durch die fehlende Hormonausschüttung der physiologischen
Geburt bleibt der Schmerz bei einem Kaiserschnitt viel stärker im
Gedächtnis haften", erklärt Verena Schmid, die eine Weiterbildungsschule
für Hebammen in Florenz leitet und auch in Deutschland Fortbildungen
anbietet. Dass viele Frauen danach keine weiteren Kinder mehr wollen,
ist demnach kein Zufall. Die wenigsten Mütter sind jedoch darüber
informiert. Eine vermehrte Auseinandersetzung mit dem Geburtsschmerz in
der Hebammenarbeit ist daher dringend erforderlich. Fördert er doch die
Produktion verschiedener Hormone. Diese begünstigen unter anderem die
Bindung zwischen Mutter und Kind und stellen den Stoffwechsel des
Neugeborenen auf ein Leben außerhalb des Mutterleibs ein. Frauen, die
ohne Betäubung entbinden, empfinden oft ein Gefühl der Stärke und
Überwältigung, nicht unbedingt Schmerz.
Interview mit Verena Schmid:
Die Bedeutung des Geburtsschmerzes für Mutter und Kind - ein Interview
mit Verena Schmid
Die Hebamme 1/2005: 11-12 |