fzm - Mehr als die Hälfte aller Krebspatienten leidet unter einer
geradezu lähmenden Erschöpfung mit ständiger Müdigkeit, die sich auch
durch lange Ruhezeiten und ausgiebigen Schlaf nicht bessert. Jede
Aktivität kostet sie die größte Überwindung und danach sind sie über
Stunden völlig ausgepumpt. Auch die geistige Konzentration lässt nach
und der Gemütszustand gerät aus dem Gleichgewicht. Wenn dieser Zustand
länger als zwei Wochen anhält, sprechen die Ärzte von einem sog.
Fatigue-Syndrom, das einen Schwerpunkt in der aktuellen Ausgabe der
Deutsche Zeitschrift für Onkologie (Haug Verlag, Stuttgart, 2005)
bildet."Für viele Patienten ist
das Fatigue-Syndrom ein größeres Problem als die Tumorschmerzen",
erläutert dort Prof. Joachim Weis von der Klinik für Tumorbiologie
Freiburg in einem Interview. Dennoch stoßen sie bei Angehörigen und
Ärzten immer wieder auf Unverständnis. Die Angehörigen hoffen, weiß
Prof. Weis aus Gesprächen mit vielen Patienten, dass sich nach der
Entlassung der Patienten aus der Klinik endlich wieder Normalität
einstellt. Weis: "Ist dies nicht der Fall und klagt der Patient immer
wieder über Erschöpfung, dann schafft das mit der Zeit soziale
Konflikte." Auch die berufliche Integration werde erschwert. Das
mangelnde Verständnis sei letztlich ein Informationsproblem und Weis
bemüht sich deshalb - auch über die von ihm mitbegründete "Deutschen
Fatigue Gesellschaft" - das Krankheitsbild einer breiteren
Öffentlichkeit näher zu bringen.
Viele Krebsärzte verkennen das Problem,
weil alle Laborwerte normal sind (eventuell kann eine Blutarmut, Anämie,
vorliegen). Der Arzt muss sich deshalb auf die Angaben seiner Patienten
verlassen. Inzwischen gibt es aber Fragebögen, welche den Ärzten die
Diagnose erleichtern.
Viele Ärzte glauben, dass die
Abgeschlagenheit der Patienten nur ein vorübergehendes Problem nach
einer Chemotherapie oder einer Bestrahlung sei. Einige mögen sogar
denken, die Patienten sollten sich gefälligst "am Riemen reißen",
schreibt der Schriftleiter der "DZO", Privatdozent Dr. Arndt Büssing, im
Editorial. Das sei aber ein Irrtum. Neben dem durch die Therapie
ausgelösten akuten Fatigue-Syndrom gebe es auch ein chronisches
Fatigue-Syndrom. Es steht in keinem Zusammenhang zur Therapie und tritt
manchmal erst ein bis zwei Jahre nach dem Ende der Chemotherapie auf.
Inzwischen haben die Onkologen das
Problem erkannt und allmählich werden therapeutische Konzepte
entwickelt. Dazu gehören neben der Behandlung der Blutarmut auch eine
psychologische Betreuung sowie eine besondere Ernährung. Sie wurde
ursprünglich für die Behandlung der Auszehrung (Kachexie) entwickelt und
sollte den Gewichtsverlust begrenzen, der bei vielen Patienten auftritt
und häufig lebensgefährliche Formen annimmt. Dr. Peter Holzhauer von der
Veramed-Klinik am Wendelstein in Brannenburg hat jedoch die Erfahrung
gemacht, dass die Ernährungstherapie auch die Fatigue der Patienten
bessert. Wichtig sei nicht nur, dass die Patienten möglichst viel essen,
sondern, dass sie auch mit Vitaminen und anderen Mikronährstoffen
ausreichend versorgt werden.
Alle Experten betonen, dass körperliche
Aktivität die Fatigue bessert, auch wenn es die Patienten oft große
Überwindung koste. Prof. Weis: "Wichtig ist dabei, dass das Training
sehr genau auf das Leistungslevel der Patienten abgestimmt ist. Denn
wenn man zu viel macht, kann dies den Teufelskreis der Erschöpfung noch
verstärken."
Büssing A:
Editorial
Deutsche Zeitschrift für Onkologie 2005; 37 (2): 49
Steingräber M, Feyer P:
Tumorbedingte Fatigue
Deutsche Zeitschrift für Onkologie 2005; 37 (2): 52-57
Ahrens O:
Kachexie und Fatigue - häufige Symptome bei fortgeschrittenem
Tumorleiden
Deutsche Zeitschrift für Onkologie 2005; 37 (2): 58-61
Jenik H, Holzhauer P:
Multimodales Fatigue-Management bei einem Patienten mit metastasierendem
Pankreaskarzinom
Deutsche Zeitschrift für Onkologie 2005; 37 (2): 72-77
Psyche und Fatigue
Ein Gespräch mit Herrn Prof. Dr. phil. Joachim Weis
Deutsche Zeitschrift für Onkologie 2005; 37 (2): 78-80 |