fzm
- Sport
tut gut – das ist mittlerweile eine Binsenweisheit. Ob Übergewicht,
Herzinfarkt oder Diabetes, gegen all diese Krankheiten des Körpers
hilft Bewegung. Die Frage jedoch, ob Sport auch bei psychischen
Störungen heilsam ist, konnten Forscher bislang nicht eindeutig
beantworten. In der jüngsten Ausgabe der Fachzeitschrift
"Psychotherapie im Dialog" (Georg Thieme Verlag, Stuttgart. 2008)
zieht der Sportwissenschaftler Professor Dr. Gerhard Huber von der
Universität Heidelberg nun ein verhalten optimistisches Fazit:
Kombiniert mit Psychotherapie sei Sport ein wirksames Heilmittel –
zumindest bei Menschen, die unter Depressionen leiden.
Vor beinah 25
Jahren lieferten norwegische Psychiater den vermeintlichen Beweis für
die heilsame Wirkung des Sports. Sie ließen depressive Menschen
dreimal in der Woche eine Stunde lange joggen. Der Gesundheitszustand
der Patienten verbesserte sich daraufhin. Doch so oft diese Studie in
der Folgezeit auch zitiert wurde, sie war methodisch nicht
einwandfrei. Im Jahr 1999 legten Forscher dann eine weniger
anfechtbare Untersuchung vor. Sie verabreichten einer Gruppe von
Patienten ein Antidepressivum, einer anderen verordneten sie ein
Ausdauertraining. Eine dritte Gruppe bekam beides verschrieben, Pillen
und Sport.
"Zwar kam es in
der Medikamentengruppe zu einem etwas schnelleren Ansprechen auf die
Behandlung", so Huber, "entscheidend bleibt aber, dass nach 16 Wochen
ein reines körperliches Training ohne die gleichzeitige Gabe von
Medikamenten genauso wirksam war wie eine dem Standard gemäße
durchgeführte psychopharmakologische Behandlung." Erstaunlicherweise
war die Rückfallquote der Sport-Gruppe geringer als die der
Medikamenten-Gruppe.
Heutzutage scheint
klar zu sein: Sport hilft gegen viele Spielarten von Depression – vor
allem auf lange Sicht. Umgekehrt entwickeln nämlich
Langstreckenläufer, die von heute auf morgen keinen Sport mehr
treiben, krankheitsähnliche Symptome, wie depressive Verstimmungen,
Reizbarkeit und innere Unruhe. Die biochemischen Gründe jedoch,
weshalb Sport gegen Depression hilft, sind nach wie vor ungeklärt.
Bekannt ist bisher lediglich: Bewegung verringert den Sympathikotonus,
wodurch sich das vegetative Nervensystem "entspannt". Auch beeinflusst
Sport die körpereigene Ausschüttung von Opiaten und die Produktion von
Kortisol.
Neuere Studien
zeigen, dass insbesondere altersdepressive Menschen von
bewegungstherapeutischen Angeboten profitieren. Trotz dieser positiven
Befunde ist es unsinnig, Depression ausschließlich durch ein Mehr an
Bewegung bekämpfen zu wollen. Ohne eine begleitende Therapie, so
Huber, erweise sich Sport als wenig wirksam. Einer der Hauptgründe:
Psychisch Kranken kann man nicht einfach sagen, sie sollten ihr Leben
ändern; um das zu erreichen, muss man sie motivieren und therapeutisch
begleiten.
Anders als bei
Depression wird der Nutzen von Bewegung und Sport bei anderen
psychischen Störungen – wie etwa der Schizophrenie – weit kritischer
beurteilt. Überzeugende Wirkungsnachweise fehlen hier bislang, die
Zahl hochwertiger Studien ist gering, wie Huber beklagt. Bei
Angststörungen oder posttraumatischen Belastungsstörungen ist die
Befundlage gleichfalls wenig aussagekräftig. Nach wie vor mangele es
an Längsschnittstudien, in denen die Wirkung sportlicher Aktivitäten
auf einzelne psychiatrische Störungsbilder genauer untersucht werde.
Das liegt nach Ansicht von Huber nicht zuletzt an einer stark
pharmakologisch orientierten psychiatrischen Versorgung.
Das Hautproblem
der verschiedenen sporttherapeutischen Ansätze besteht darin, dass es
nicht leicht ist, Patienten für ein regelmäßiges Training zu
motivieren. Selbst wenn es gelänge, so Huber, die körperliche
Aktivität von Patienten im Zuge einer Psychotherapie zu steigern, sei
damit noch nicht sichergestellt, dass dieses gesundheitsförderliche
Verhalten dauerhaft beibehalten werde. Trotz dieser Schwierigkeiten
plädiert Huber in seiner Überblicksstudie dafür, Psychotherapie und
Bewegungstherapie stärker miteinander zu verbinden. Denkbar sei etwa,
dass niedergelassene Psychotherapeuten enger als bisher mit
Fitnesscentern oder Sportvereinen kooperierten.
G. Huber et al.:
Bewegung und seelische Gesundheit.
PiD Psychotherapie im Dialog 2008; 9 (4):
S. 357-364.