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Für viele Indikationen sind zahlreiche, in ihrem Wirkmechanismus
verschiedene Medikamente auf dem Markt. Es bleibt daher der Erfahrung
und den Vorlieben des Arztes überlassen, das passende Medikament für
den richtigen Patienten auszusuchen. Wenn die eine Substanzklasse
nicht wirkt, muss man eben eine andere probieren. Ein Aufsatz in der
Zeitschrift "Fortschritte der Neurologie, Psychiatrie" (Georg Thieme
Verlag, Stuttgart. 2007) listet rund 20 verschiedene Wirkstoffklassen
mit antidepressiver Wirkung auf. Jede beeinflusst eine andere Gruppe
von Botenstoffen im Gehirn (Neurotransmitter). Diese Vielfältigkeit
von Entwicklungsarbeiten der Pharmaindustrie erklärt sich daraus, dass
keines der derzeit gängigen antidepressiven Medikamente Ansprechraten
über 60 Prozent erzielt.
Seit einiger
Zeit mehren sich Hinweise, wonach die genetische Ausstattung eines
Patienten die Wahrscheinlichkeit, auf ein bestimmtes Medikament
anzusprechen, beeinflusst. So waren beispielsweise Varianten des Gens
für Serotonintransporter oder der Gene für andere Botenstoffe mit
einer höheren oder niedrigeren Ansprechrate vergesellschaftet. Jeder
depressive Patient ist einzigartig, nicht nur in seiner genetischen
Ausstattung, sondern auch in seiner Lebensgeschichte, die das Gehirn
mindestens genau so stark beeinflusst, sowie in seinen Erfahrungen und
Überzeugungen. Daher sollte neben der Entdeckung immer neuer
pharmakologischer Behandlungsmöglichkeiten auch deren differenzierter
Einsatz intensiv erforscht werden. Mit der Entdeckung eines perfekten
Antidepressivums, das jeden Patienten "heilt", ist nicht zu rechnen.
Daher sollte ein Augenmerk der pharmakologischen Forschung auf dem
individuellen Einsatz der vorhandenen und kommenden Antidepressiva, in
Kombination mit psycho- und soziotherapeutischen Behandlungsformen
liegen. Dies insbesondere auch unter dem Aspekt, dass ein
amerikanischer Gesundheitsbericht der unipolaren Depression für das
Jahr 2020 die weltweit führende Position in einer Rangfolge von
insgesamt zehn Erkrankungen zuweist. Auch der Sachverständigenrat für
die konzertierte Aktion im Gesundheitswesen zählt die Depression zu
den fünf für die Gesundheitspolitik der Zukunft wichtigen
Erkrankungen.
H. Frieling:
Neue Wege in der Depressionsbehandlung.
M. Wolfersdorf:
Die Depression ist in der Gesundheitspolitik angekommen.
Fortschritte der Neurologie Psychiatrie 2007; 75 (11): S. 641-65; S.
633-634.