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Psychisch kranke, ältere Menschen suchen nur zu einem geringen Anteil
eine psychotherapeutische Fachpraxis auf, vielmehr werden 90 Prozent
vom Hausarzt versorgt. Hier bleibt nahezu die Hälfte der psychischen
Erkrankungen unerkannt. Diese sind zumindest zum Teil auf eine
lückenhafte Schilderung der Symptome der Älteren zurückzuführen, oder
auch auf stereotype Vorstellungen der Ärzte, wie etwa die Annahme,
depressive Verstimmungen seien im Alter normal und ohnehin nicht
behandlungsfähig. Ein Aufsatz in der Zeitschrift "PiD Psychotherapie
im Dialog" (Georg Thieme Verlag, Stuttgart. 2008) weist darauf hin,
dass auch unzureichendes Wissen eine nicht unerhebliche Rolle spielt,
was an der medikamentösen Verordnungspraxis etwa bei Depression
deutlich wird. Den Ergebnissen der Berliner Altersstudie zufolge
werden sie nur in sechs Prozent der Fälle mit Antidepressiva
behandelt, stattdessen in exorbitantem Ausmaß mit Benzodiazepinen
(Beruhigungsmittel). Ein besonderes Problem betrifft die
Unterscheidung zwischen Depression und Demenz. Keiner der in die
Untersuchung einbezogenen Patienten wurde psychotherapeutisch
behandelt. Für zukünftige Bedarfsplanungen ist von Bedeutung, dass die
Anzahl psychiatrischer Diagnosen im Alter ansteigt. Neuere
Untersuchungen zeigen ein vermehrtes Vorkommen von Angst- und
Persönlichkeitsstörungen sowie funktionellen Körperbeschwerden. Wenn
schon der derzeitige Behandlungsbedarf unterschätzt wird, so besteht
kein Zweifel an einem Anstieg von 30 Prozent in der Zukunft.
M. Peters:
Alter und Psychotherapie – Von der Annäherung zweier Fremder.
PiD Psychotherapie im Dialog 2008; 9 (1);
S. 5-12