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Man soll die Gefahr nicht herunter spielen, aber das, was die Medien
gelegentlich als massive Ausbreitung eines Drogenproblems unter
Jugendlichen dramatisieren, stellt in der überwiegenden Mehrheit der
Jugendlichen ein Experimentieren mit Cannabis als Übergangsphänomen
dar. Im Jugendalter ist das gezielte Aufsuchen von Risiken – dazu
zählen auch Phasen exzessiven Substanzkonsums – charakteristisch. Nach
relativ kurzer Zeit wird der Gebrauch wieder beendet. Einem Bericht in
der Zeitschrift "Suchttherapie" (Georg Thieme Verlag, Stuttgart. 2008)
zufolge wird die überwältigende Mehrheit dieser
Experimentier-Konsumenten durch den Cannabis-Gebrauch nicht für eine
Drogenkarriere determiniert.
Während in einer
nunmehr fünfjährigen Studie die Frequenz des Alkoholkonsums über den
gesamten Untersuchungszeitraum anstieg oder zumindest stabil blieb,
war die Anzahl derjenigen, welche angaben, im letzten Halbjahr
Cannabis konsumiert zu haben, nach drei Jahren leicht rückläufig.
Regelmäßiger hochfrequenter Cannabisgebrauch (mehr als zweimal pro
Woche) war selten festzustellen. Vorübergehende Eskalationen, etwa als
Suche nach Grenzerfahrungen oder als Reaktion auf Adoleszenzkrisen,
lagen bei Alkohol um die 14 Prozent, bei Cannabis-Konsumenten etwas
über acht Prozent. Eskalationen ohne Rückkehr zu moderaterem Konsum
waren äußerst selten.
Es gibt mehrere
Faktoren, welche die Verläufe von Cannabis-Gebrauch positiv oder
negativ beeinflussen. Da ist einmal die Risikowahrnehmung. Hohe Werte
in der Risikoeinschätzung des eigenen Konsumverhaltens von Cannabis
gehen mit geringerer Konsumfrequenz einher und umgekehrt. Entscheidend
für Mäßigung oder Beendigung des Konsums ist nicht der vage Eindruck,
dass "Drogen gefährlich sind", sondern die persönliche
Risikowahrnehmung, also Selbstbetroffenheit.
Da vorübergehende
Eskalationen bei Alkohol und Cannabis relativ häufig sind, das
Beibehalten eines hochfrequenten Konsummusters aber selten ist, kann
man von einem allmählichen Erlernen von Kontrolle und Selbststeuerung
bei der überwiegenden Anzahl von Jugendlichen ausgehen. Diese
Lernprozesse sollten ins Zentrum der Präventionspädagogik gestellt
werden.
Parallel ist es
wichtig, sich der besonders gefährdeten Gruppe hochfrequent
konsumierender Jugendlicher zuzuwenden, für die Substanzkonsum der
Versuch einer Problembewältigung darstellt, was eine Suchtentwicklung
wahrscheinlich macht. Auch in einer europäischen Schülerbefragung
zeigt sich die Tendenz zu einem starken Auseinanderdriften der
Konsumgewohnheiten bei Jugendlichen. Einer Gruppe stark gefährdeter
junger Menschen steht eine solche gegenüber, für die exzessiver
Substanzkonsum ein vorübergehendes Experiment bleibt.
H. Jungaberle:
Muster und Verlauf des Konsums psychoaktiver Substanzen im Jugendalter
– Bedeutung von Kohärenzsinn und Risikowahrnehmung.
Suchttherapie 2008; 9 (1); S. 12