fzm - Die
Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) galt lange Zeit
als eine Erkrankung ausschließlich des Kindes- und Jugendalters. In
jüngster Zeit kommen zunehmend auch junge Erwachsene zur Behandlung,
deren psychosozialen Beeinträchtigungen mit Symptomen einer ADHS
zusammenhängen. Dies war zu erwarten, da die Problematik sich bei etwa
der Hälfte der Betroffenen vom Kindes- in das Jugend- und schließlich in
das Erwachsenenalter fortsetzt. Dabei unterliegt die ADHS über die Zeit
einem gewissen Symptomwandel, der häufig nicht mehr die Assoziation mit
dem Bild des Zappelphilipps zulässt. Wie aus einem Beitrag in der
Fachzeitschrift "Fortschritte der Neurologie, Psychiatrie" (Georg Thieme
Verlag, Stuttgart. 2007) ersichtlich, kann sich die Symptomatik einer
ADHS hinter einer gleichzeitig bestehenden psychiatrischen Störung
verbergen, so dass der Untersucher die bisher wenig bekannte Störung
ADHS des Erwachsenenalters nicht in Erwägung zieht.
Die Kernsymptome der ADHS, wie
Konzentrationsstörungen, mangelnde Organisation des Alltagsablaufs,
Ablenkbarkeit und ineffizienter Arbeitsstil, sind bei den meisten
Erwachsenen zeitweise mehr oder minder vorhanden, wobei kein
eigentlicher Krankheitswert vorliegt. Umso wichtiger ist eine exakte
Diagnose, da eine Behandlung der ADHS zu einer wesentlichen Verbesserung
von Lebensqualität und psychosozialer Funktion führt. Unbefriedigende
Therapieverläufe bei Patienten mit einer undiagnostizierten ADHS, die
ausschließlich wegen der anderen Störung behandelt wurden, können darin
eine Erklärung finden. Bei Erwachsenen mit ADHS ist der Alkohol- und
Drogenmissbrauch wesentlich erhöht.
Die Behandlung kann mit Arzneimitteln
oder Psychotherapie erfolgen. Anders als bei Kindern und Jugendlichen
ist jedoch in Deutschland bisher kein Arzneimittel für die Indikation
ADHS im Erwachsenenalter zugelassen, obwohl positive Resultate aus dem
In- und Ausland vorliegen. Daher muss der Patient das erforderliche
Arzneimittel selbst bezahlen. Es handelt sich dabei übrigens um die
gleiche Substanz, die – illegal – zur kognitiven Leistungssteigerung,
etwa in Schule oder Studium, benutzt wird (Kognitionsverstärker). Bei
stark schwankender Leistungsfähigkeit und ständiger Stimmungslabilität,
die zu einer tiefgreifenden Verunsicherung der Patienten führen, ist
eine kombinierte Therapie in Form von Medikamenten und Psychotherapie
erforderlich, für die allerdings Monate anzusetzen ist. Ein
verhaltenstherapeutischer Ansatz kann helfen, Strukturen bei chaotischer
Lebensweise zu entwickeln.
J. Krause:
Die Aufmerksamkeitsdefizit-/
Hyperaktivitätsstörung bei Erwachsenen.
Fortschritte der Neurologie, Psychiatrie 2007; 75 (5): S. 293-305 |