Gießen (pte/13.12.2005/11:13)
- Jüngste Untersuchungen einer internationalen Forschergruppe um Peter
Kirsch von der Universität Gießen
http://www.uni-giessen.de und Forschern des National Institute of
Mental Health (NIMH)
http://www.nimh.nih.gov in Bethesda haben deutlich gezeigt, dass das
vertrauensbildende Hormon Oxytocin die Angst beim Menschen reduzieren
kann. Der chemische Botenstoff scheint seine Wirkung in angstrelevanten
Hirnstrukturen auszuüben. Die Wissenschaftler hoffen nun, dass das
Wissen um das Hormon auch die Basis für neue Behandlungsmöglichkeiten
gegen psychische Störungen wie Autismus bieten kann.
Erst im Juni hatten Forscher der Universität Zürich gezeigt, dass
Oxytocin das Vertrauen in andere Menschen verstärken kann (pressetext
berichtete
http://www.pressetext.at/pte.mc?pte=050602017 ). Bekannt war
Forschern aus dem Tierreich, dass der Botenstoff eine Schlüsselrolle für
die Steuerung von komplexen emotionalen und sozialen Verhaltensweisen
spielt. Vom Oxytocin-Niveau im Gehirn ist zum Beispiel abhängig,
inwieweit Tiere mütterliche Fürsorge, Bindungsverhalten oder
Aggressivität zeigen. Das Hormon reduziert auch bei Tieren die Angst und
verändert ihre Fähigkeit, Furchtreaktionen zu lernen und zu verlernen.
Um herauszufinden, wie diese Wirkung im Gehirn entsteht, führten die
Wissenschaftler eine kernspintomographische Studie durch. "Die Bedeutung
von Oxytocin für das menschliche Verhalten ist in den letzten Monaten so
deutlich geworden, dass es dringend notwendig war, nach den
neurobiologischen Ursachen dieser Wirkung zu suchen" so der deutsche
Studienleiter Peter Kirsch im pressetext-Interview. An nur 15 männlichen
Probanden konnten die Giessener Forscher feststellen, dass nur geringe
Mengen von Oxytocin über ein Nasenspray aufgenommen, bereits zu einer
geringeren Aktivität der Amygdala - der Furchtregulation im Gehirn -
aufwiesen, als bei einer vorherigen Einnahme eines Placebopräparates.
Die Probanden mussten Bilder mit angstrelevantem Inhalt anschauen. "Die
Befunde waren bereits bei einer kleinen Gruppe überzeugend", meint
Kirsch. Weitere Untersuchungen werden demnächst an einer weiblichen
Probandengruppe durchgeführt. Diese Reduzierung der Aktivität der
Amygdala war bei der Betrachtung von angsterfüllten Gesichtern besonders
deutlich ausgeprägt. Darüber hinaus zeigte sich, dass die Oxytocingabe
die funktionelle Verbindung zwischen der Amygdala und Regionen im
Hirnstamm, die für die Regulation von körperlichen Angstreaktionen
verantwortlich sind, verringerte.
"Wie wir sozial miteinander umgehen ist also zu einem wichtigen Teil von
der Oxytocinausschüttung abhängig, wie funktionstüchtig unser
Oxytocin-System ist, entscheiden auch frühe Erfahrungen und wo es seine
Wirkung entfaltet, zeigt nun erstmals unsere Studie" erklärt Kirsch.
Neben den grundlagenwissenschaftlichen Aspekten sollen die Befunde aber
auch Basis für Ansätze sein, neue Behandlungsstrategien für psychische
Störungen, die mit einer übermäßigen Angst, ausgelöst durch eine
überaktivierte Amygdala, verbunden sind, zu entwickeln. Erste Anfragen
seitens der Pharmaunternehmen gebe es bereits. "Die Kollegen vom NIMH
wollen Oxytocin-Anwendungen bei autistischen Kindern untersuchen", so
Kirsch abschließend. In einer früheren Studie konnten Forscher zeigen,
dass Kinder mit Autismus eine erhöhte Aktivierung der Amygdala bei der
Betrachtung von Gesichtern zeigten.
Eine Arbeitsgruppe von US-Medizinern hat erst vor kurzem herausgefunden,
dass Kinder, die direkt nach der Geburt ohne mütterliche Fürsorge
geblieben sind, bei Interaktion mit ihrer Adoptivmutter weniger Oxytocin
ausschütten als Kinder, die behütet aufgewachsen sind. (Ende)
Quelle: pressetext Nachrichtenangentur GmbH |