In der Allgemeinbevölkerung erkranken rund ein
Prozent an Schizophrenie. Sie stellt in psychiatrischen Kliniken nach der
Depression die zweithäufigste Erkrankung dar. Eine Prävention, wie sie auch
von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gefordert wird, könnte sowohl dem
Patienten als auch dessen Angehörigen viel Leid ersparen, ganz abgesehen von
gesundheits-ökonomischen Aspekten. Man müsste also diejenigen Individuen
identifizieren, die ein Risiko aufweisen, später an Schizophrenie zu
erkranken. Eine Pro- und Kontra-Diskussion in der Zeitschrift "Psychiatrische
Praxis" (Georg Thieme Verlag, Stuttgart) sieht bereits bei Frühwarnzeichen,
bei deren Auftreten man einen Ausbruch der Psychose mit hoher Treffsicherheit
vorhersagen kann, einen guten Ansatzpunkt für eine indizierte Prävention.
Solche Prodromalsymptome bewirken oft schon selbst quälenden Beschwerdedruck,
wie sozialer Rückzug, gedrückte Stimmung, Antriebsarmut, Trugwahrnehmungen und
anderes, so dass die Betroffenen nach Rat und Hilfe suchen.
In den wichtigsten weltweit entstandenen
Früherkennungszentren, die sich vorrangig auf psychotische Störungen beziehen,
wird intensive Öffentlichkeitsarbeit betrieben, um Aufmerksamkeit für
Risikofaktoren und Frühwarnzeichen zu erregen. Kommen Kontaktaufnahmen
zustande, so gilt es zu unterscheiden, ob sich die Betroffenen schon in der
ersten psychotischen Episode oder in einem noch psychoseferneren Risikozustand
befinden. Im ersteren Fall würde man folgerichtig eine adäquate
antipsychotische Behandlung empfehlen und könnte damit möglicherweise eine
Verkürzung der Phase einer unbehandelten Psychose erzielen, was zu einem
wesentlich besseren Ergebnis führen würde. Im letzteren Fall käme eine andere
Behandlungsstrategie in Frage, wobei neuerdings rein mit psychologischen
Mitteln überzeugende Präventionseffekte erzielt werden konnten.
Eine derartige Frühtherapie kann allerdings
auch von Nachteil sein, etwa indem vermehrt auch solche Patienten den Risiken
einer Behandlung ausgesetzt werden, deren Psychose – hätte man den
Spontanverlauf abgewartet – auch ohne Therapiemaßnahmen abgeklungen wäre.
Damit werden Menschen unnötigerweise verunsichert. Die mit heutigen Methoden
identifizierbaren Risikopersonen entwickeln innerhalb eines Jahres in 20 bis
60 Prozent der Fälle erstmals das Vollbild einer Psychose. Das bedeutet
umgekehrt, dass bis zu 80 Prozent der betreffenden Personen unnötigerweise
behandelt würden. Daher bedürfen Nutzen und Schaden der Früherkennung weiterer
sorgfältiger Abwägung.
Pro und Kontra: "Jeder Schizophreniekranke
sollte so früh wie möglich behandelt werden".
Psychiatrische Praxis 2006; 33; Nr. 3; S. 105-107.
Pro: Prof. Dr. Joachim Klosterkötter, Universität Köln. E-Mail:
joachim.klosterkoetter@uk-köln.de
Kontra: PD Dr. med. habil. Ronald Bottlender,
London. E-Mail: ronald.bottlender@
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