Die in Deutschland traditionelle Trennung von
stationärer und ambulanter Versorgung lässt eine Versorgungslücke entstehen,
wenn die Patienten den geschützten Raum von Fachkliniken für Psychotherapie
und Psychosomatik nach mehrwöchiger Behandlung verlassen. Eine ambulante
Nachbehandlung lässt sich meist erst nach einer erheblichen Wartezeit
realisieren. Die Patienten sind dadurch wochenlang allein gelassen in einer
Situation, die für viele durch eine große Unsicherheit geprägt ist. Wird es
ihnen gelingen, das während der stationären Behandlung Erreichte in ihren
Alltag zu übertragen und ihre gesundheitlichen Fortschritte zu stabilisieren?
Ein Beitrag in der Zeitschrift "PPmP Psychotherapie, Psychosomatik,
Medizinische Psychologie" (Georg Thieme Verlag, Stuttgart) resümiert die
Erfahrungen mit der Internet-Brücke, das heißt mit der Nachbetreuung der
Patienten über das Internet. Dieses Medium ist für viele Menschen inzwischen
zu einer alltäglichen Selbstverständlichkeit geworden und die Nutzung der
E-Mail als Mittel der Kommunikation hat seinen festen Platz neben Telefon und
Telefax. Im klinischen Kontext ergeben sich für die elektronische
Kommunikation spezifische Anforderungen an die Nutzer, wobei Patienten mit
gewissen Erkrankungen an diesem Verfahren nicht teilnehmen sollten. Um eine
Vorsorge für den Krisenfall sicherzustellen, sollte ein Therapeut oder Arzt am
Wohnort einbezogen werden. Für Datensicherheit ist weitgehend gesorgt.
Interessierte Patienten erhalten noch in der
Klinik eine technische Einweisung. Von großem Vorteil ist, dass die Betreuung
via Internet von dem in der Klinik für diesen Patienten zuständigen
Therapeuten übernommen wird, so dass eine nahtlose Weiterbetreuung im neuen
Medium und eine wechselseitige persönliche Vertrautheit garantiert sind. Vor
Beginn der Nachbetreuung wird ein fester Wochentag für den E-Mail-Kontakt
vereinbart. Der Therapeut sichert eine Beantwortung innerhalb von 24 Stunden
zu. Abgesehen von einer freien Schilderung ihrer Probleme beantworten die
Patienten wöchentlich online einen kurzen Selbstbeurteilungsbogen, mit dem ihr
psychisches Wohlbefinden, soziale Probleme und mögliche Suizidgedanken erfasst
werden. Um Vertraulichkeit sicher zu stellen, verabreden Patient und Therapeut
ein Pseudonym. Das Nachsorgeprogramm findet bei den Teilnehmern eine hohe
Akzeptanz. Jede E-Mail stellt einen imaginierten Kontakt mit dem Therapeuten
her. Dies vermittelt ein Gefühl der Unterstützung in der schwierigen
Übergangszeit nach Verlassen der Klinik. Positive Entwicklungen können
verstärkt und bei negativen Entwicklungen kann zu alternativen
Verhaltensweisen ermuntert werden. Es wird noch im Detail zu untersuchen sein,
welche therapeutischen Strategien die beste Wirksamkeit versprechen.
E-Mail in der Psychotherapie – ein
Nachbehandlungsmodell via Electronic Mail für die stationäre Psychotherapie.
PPmP Psychother Psych Med 2006; 56; Nr. 3/4; S. 138-146.
Markus Wolf, Universitäts-Klinikum
Heidelberg. E-Mail: markus_wolf@med.uni-heidelberg.de |