Ärzte sind für die medizinische Behandlung
zuständig. Der gesellschaftliche Wandel in den vergangenen Jahrzehnten hat
dazu geführt, dass auch psychiatrisch-psychotherapeutische Patienten heute
meist auf sich selbst angewiesen bleiben, wenn die medizinische Behandlung
beendet ist. Am Ende steht der Patient oft vor unüberwindbar erscheinenden
Hürden, seien es die Organisation eines ambulanten Hilfesystems, die Rückkehr
in die Arbeitswelt, die Notwendigkeit für betreutes Wohnen, eine
Heimunterbringung oder Verhandlungen mit verschiedenen Leistungsträgern. Hier
haben sich sozialpsychiatrische Dienste und Einrichtungen herausgebildet, die
aber zum Teil unkoordiniert nebeneinander her arbeiten. Notwendig wäre für
viele Patienten eine kontinuierlich begleitende Bezugsperson, die dem
Patienten hilft, die unter-schiedlichsten Probleme des Alltags und der
Koordination der Therapie zu bewältigen. Hier drei Beispiele.
Beispiel 1: Eine effektive
psychiatrisch-psychotherapeutische Behandlung erfordert häufig Zeit, wobei
möglicherweise aber nur kurze stationäre Abschnitte notwendig wären. Dies kann
mit geringeren Ressourcen als bisher erreicht werden, wenn die
Gesamtbehandlung koordiniert und die Klinik ambulante vor stationärer
Behandlung nutzen würde. Eine solche Strategie kann flexible und
unbürokratische Wechsel zwischen verschiedenen Behandlungsformen erfordern.
Dazu muss die strenge Abgrenzung der einzelnen Bereiche – stationär -
teilstationär - ambulant – gegebenenfalls auch Reha – überwunden werden.
Während bisher die stationäre Behandlung zentraler Bezugspunkt für den
Patienten war, fordert ein Beitrag in der Zeitschrift "Psychiatrische Praxis"
(Georg Thieme Verlag, Stuttgart), die primäre Anlaufstelle künftig in die
Ambulanz zu verlagern, welche die komplexe ambulante Betreuung mit fließenden
Übergängen zur tagesklinischen oder vollstationären Behandlung organisiert.
Mit anderen Worten: Die Behandlung soll künftig "strategisch" von der
ambulanten Perspektive her gesteuert werden. Eine verantwortliche Bezugsperson
begleitet den Patienten ambulant und koordiniert die übrigen notwendigen
Hilfebausteine. Der teilstationäre und stationäre Klinikaufenthalt wird
dadurch zur zeitlich begrenzten Phase innerhalb einer oft längeren
Gesamtbehandlung.
Beispiel 2: Die Wiedereingliederung in den
Arbeitsmarkt sowie die gleichzeitige Stabilisierung und Besserung des
Leistungsvermögens sind wichtige Ziele der medizinischen
Rehabilitationsbehandlung. Zur weiteren Unterstützung im Rahmen einer
Rehabilitationskette sind Leistungen zur beruflichen Reintegration ein
wichtiger und hilfreicher Bestandteil, um das allgemeine Ziel der
Rehabilitation zu erreichen. Diese Leistungen müssen vom Versicherungsträger
bewilligt werden. Ein Beitrag in der Zeitschrift "PPmP Psychotherapie,
Psychosomatik, Medizinische Psychologie" (Georg Thieme Verlag, Stuttgart)
zeigt, dass in der Psychosomatik wesentlich weniger Empfehlungen zur
Überprüfung von Reintegrationsmaßnahmen gegeben und bewilligt werden als bei
einer somatischen Vergleichsgruppe. Die Ursachen dafür sind vielfältig. Auf
der Klinikseite wird deutlich, wie wenig die Problematik der Erwerbstätigkeit
und des Arbeitsmarktes in der medizinisch-psychosomatischen Rehabilitation
thematisiert wird. Neben dem Angebot der ambulanten Nachsorge könnte ein
berufliches Case-Management, beispielsweise durch Reha-Berater, für eine
deutliche Entlastung sorgen.
Beispiel 3: Derzeit verändern sich die
Bedarfsstrukturen des Gesundheitssystems mit der steigenden Anzahl der älteren
Menschen. Die Verweildauer im Krankenhaus wird durch die Einführung der
Fallpauschalen verkürzt, so dass ein erheblicher Rehabilitations- und
Pflegebedarf im ambulanten Bereich entsteht. Wie ein Beitrag in der
Zeitschrift "Psych.Pflege Heute" (Georg Thieme Verlag, Stuttgart) beschreibt,
setzt hier das koordinierende und integrierende Konzept des Case Management
ein. Der Case Manager begleitet den Patienten und bezieht sein soziales Umfeld
mit ein. Er betreut den Patienten vom Erstkontakt an und kontrolliert täglich
den Behandlungs- und Betreuungsverlauf. Er dient als Lotse zu den anderen an
der Versorgung beteiligten Professionen. Das Case Management ist momentan nur
teilweise in die pflegerische Versorgung integriert.
Integrierte Versorgung – Perspektiven für
die Psychiatrie und Psychotherapie.
Psychiatrische Praxis 2006; 33; Nr. 2; S. 53-55.
Prof. Dr. med. habil. Heinrich Kunze, Klinik für Psychiatrie und
Psychotherapie Merxhausen, Bad Emstal (Kassel). E-Mail: heinrich.kunze@zsp-kurhessen.de
Wie bedeutsam ist die berufliche Reintegration
(Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben) nach stationärer psychosomatischer
Rehabilitation?
PPmP Psychother Psych Med 2006; 56; Nr. 1; S. 15-22.
Dr. Dipl.-Psych. Axel Kobelt, LVA Hannover. E-Mail: axel.kobelt@lva-hannover.de
Case Management für depressive ältere Menschen.
Psych Pflege 2005; 11; Nr. 5; S. 252-255.
Simone Bauer, Hattersheim. E-Mail: simbauer@web.de |