fzm - Eines der
wesentlichen Gesundheitsrisiken im Leben einer Frau ist es, Opfer von Gewalt
zu werden – so sieht es die Weltgesundheitsorganisation WHO in einem Report
zum Thema. Wer glaubt, dieser Befund treffe auf hochentwickelte
Industrieländer nicht zu, wird in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift
"Geburtshilfe und Frauenheilkunde" (Georg Thieme Verlag, Stuttgart. 2007)
eines Besseren belehrt. Die Berliner Medizinerin Heike Mark stellt dort eine
Studie vor, die zeigt, dass Frauen auch in Deutschland in erheblichem Ausmaß
von Gewalt und den gesundheitlichen Folgen betroffen sind. "Auch Ärztinnen und
Ärzte werden im Praxisalltag häufig mit gewaltbetroffenen Frauen
konfrontiert", schreiben Mark und ihre Kolleginnen von der Psychosomatischen
Klinik der Charité. Diese Tatsache sollte beim Umgang mit Patientinnen
berücksichtigt werden, um eine erneute Traumatisierung zu vermeiden.
Im Rahmen ihrer Studie hatten die Berliner
Forscherinnen insgesamt 1941 erwachsene Patientinnen angesprochen, die in
einer von sechs gynäkologischen und sieben allgemeinmedizinischen Arztpraxen
einen ambulanten Termin wahrnahmen. Zwar gaben nur 730 Patientinnen den
ausgehändigten anonymen Fragebogen ausgefüllt zurück, von diesen gab jedoch
mehr als ein Drittel (35,5 Prozent) an, im Laufe ihres Lebens bereits
mindestens einmal von schwerer körperlicher Gewalt betroffen gewesen zu sein.
Bei den Fragen zur sexuellen Gewalt gaben 13,5 Prozent der Frauen an, schon
einmal eine vollendete Vergewaltigung erlitten zu haben. Zusätzliche 21
Prozent hatten sexuelle Übergriffe erlebt, bei denen ihre Geschlechtsteile
berührt worden waren.
Mehr als die Hälfte der Frauen, die
Misshandlungen berichteten, hatten dadurch körperliche Verletzungen erlitten.
Aus Sicht der Betroffenen hatten die Gewalterfahrungen zudem psychische Spuren
hinterlassen: Bei rund jeder vierten Frau hielten Gefühle wie Angst oder
Erniedrigung noch zum Zeitpunkt der Befragung an. Opfer sexueller Gewalt
berichteten zudem über Probleme mit der Sexualität, die sich unter anderem als
Selbsthass, Essstörungen oder ein gestörtes Verhältnis zum eigenen Körper
äußerten.
Für Ärztinnen und Ärzte wesentlich ist außerdem
Marks Befund, dass gynäkologische Symptome wie Unterbauchschmerzen,
Harnwegsinfekte oder Zyklusstörungen bei Frauen mit körperlichen oder
sexuellen Gewalterfahrungen deutlich häufiger auftreten als bei Nicht-Opfern.
Nach Ansicht der Berliner Medizinerin sollten Behandelnde bei einem
entsprechenden Verdacht keine Hemmungen haben, die Patientin auf mögliche
Gewalterfahrungen anzusprechen. Denn während nur eine Minderheit der
Betroffenen angab, dieses Thema von sich aus anzuschneiden, würden fast drei
Viertel der Frauen von körperlichen oder sexuellen Gewalttätigkeiten
berichten, wenn sie von Arzt oder Ärztin darauf angesprochen würden.
H. Mark et al.:
Gesundheitsstörungen erwachsener Frauen im Zusammenhang mit körperlicher und
sexueller Gewalt – Ergebnisse einer Berliner Patientinnenstudie
Geburtshilfe und Frauenheilkunde 2007; 67 (1): S. 43-49 |