Die klassische paternalistische Haltung bestimmte
über Jahrhunderte die Beziehung zwischen Arzt und Patient. Seit den 70 Jahren
des vorigen Jahrhunderts rückte der Wille des Patienten stärker in den
Vordergrund. Am Ende stehen sich "Health-Care-Consumer" und
"Leistungserbringer" in nüchternem Umgang gegenüber. Empowerment dringt in das
Arzt-Patienten-Verhältnis ein und stellt eine Konsequenz aus dem bisher
verfolgten Konzept der Patientenzufriedenheit dar. Neben der Vertretung der
gebündelten Interessen von Patientengruppen in politischen
Entscheidungsprozessen (zum Beispiel Bundesverband Psychiatrie-Erfahrener oder
die Aktion Psychisch Kranke) zielt Empowerment auch darauf ab, die Bedürfnisse
von Betroffenen als ein zentrales Kriterium bei der Planung und der
Bereitstellung spezifischer Versorgungs- und Behandlungsangebote zu
berücksichtigen.
Die Ambivalenz der gegenwärtigen Situation
charakterisiert ein Aufsatz in der Zeitschrift "Psychiatrische Praxis" (Georg
Thieme Verlag, Stuttgart) dahingehend, dass einerseits die gesellschaftliche
Akzeptanz medizinischer Expertenmacht sinkt, dass aber andererseits durch eine
stetig zunehmende Spezialisierung innerhalb der medizinischen Disziplinen die
ärztliche Expertenmacht gestärkt wird.
Es ist nicht zu leugnen, dass gesetzliche,
politische und ökonomische Eingriffe in das Gesundheitssystem
Versorgungsstrukturen und -prozesse modifizieren, und zwar in der Regel, ohne
dass die Auswirkungen für den Bürger wissenschaftlich überprüft werden.
Fehlentwicklungen sind die Folge, mit negativen Auswirkungen für gesunde und
erkrankte Menschen und letztlich auch für die ökonomische Situation im
Gesundheitswesen. Deshalb haben verschiedene Fachgremien eine Förderung der
Versorgungsforschung gefordert. Beim wissenschaftlichen Beirat der
Bundesärztekammer hat sich im Juni 2004 ein Arbeitskreis Versorgungsforschung
konstituiert. Musterbeispiel für den Einbezug von Nutzern in die
psychiatrische Versorgungsforschung ist Großbritannien.
Die Beteiligung von Patienten an medizinischen
Entscheidungsprozessen stellt ein zentrales Element moderner
Versorgungskulturen dar. Im Bereich der psychiatrischen Versorgung wird die
Partizipation von Patienten durch trialogische Gesprächsrunden,
Patientenvertretungen in psychiatrischen Kliniken sowie die Beschäftigung von
Nutzern in psychiatrischen Einrichtungen angestrebt.
Allerdings wird sich das Konzept des Einbezugs
von Nutzern in die psychiatrische Versorgungsforschung – aus "Beforschten"
werden selbst Forschende – ohne den Nachweis eines zusätzlichen Gewinns auf
lange Sicht kaum durchsetzen können, zumal durch die Ausbildung der Nutzer,
die für ihre Tätigkeit eine Aufwandsentschädigung erhalten, ohnehin knappe
Ressourcen gebunden werden.
Der Einbezug von Nutzern psychiatrischer
Angebote in die psychiatrische Versorgungsforschung.
Psychiatrische Praxis 2006; 33; Nr. 2; S. 59-66.
Silvia Krumm, Universität Ulm. E-Mail: silvia.krumm@bkh-guenzburg.de |