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Für Diabetes-Kranke ist eine gute Einstellung des Stoffwechsels
lebensnotwendig. Sind ihre Blutzuckerwerte nicht mehr im Gleichgewicht, kann
es zu lebensbedrohlichen Schädigungen zum Beispiel der Nieren oder der
Netzhaut kommen. Die Ernährung spielt bei der Regulierung des
Blutzuckerhaushalts eine bedeutende Rolle. Die Ernährungstherapie ist daher
"ein evidenter, effektiver und kostengünstiger Bestandteil der Therapie des
Diabetes mellitus", betont das Autorenteam um Ulrike Bandemer-Greulich in der
Fachzeitschrift "Aktuellen Ernährungsmedizin" (Georg Thieme Verlag, Stuttgart.
2006).
Um eine optimale Einstellung des
Blutzuckerspiegels zu gewährleisten, müssen nach Meinung der Autoren "alle
Verhaltensweisen" der Patienten bezüglich Ernährung und Körperwahrnehmung
berücksichtigt werden. Die Wissenschaftler vom Wittenberger
Universitätsklinikum für Psychotherapie und Psychosomatik befragten im Rahmen
einer Studie 400 Diabetikerinnen zu ihren Essgewohnheiten. Die Interviews
ergaben: Mehr als die Hälfte der Frauen zeigte ein problematisches
Ernährungsverhalten. Dies äußerte sich in unkontrollierten Essanfällen,
Purgingmaßnahmen oder Übergewicht.
Das Problem sei, so Ulrike Bandemer-Greulich,
dass sich durch eine intensivierte Insulintherapie, die in Deutschland im
Moment zur Standardbehandlung zählt, bei vielen Diabetikerinnen das
Körpergewicht erhöhe. Eine "verstärkte Aufmerksamkeitsfokussierung auf das
eigene Körpergewicht und gewichtsregulierende Maßnahmen" seien die Folge.
Viele der befragten Patientinnen berichteten zudem von unkontrollierten
Heißhunger- oder Essanfällen, mit Aufnahme großer Nahrungsmittelmengen.
Um eine weitere Gewichtszunahme durch die
Essanfälle zu verhindern, griffen die Frauen auf "eine oder mehrere
kompensatorische Maßnahmen" zurück. Neben strenger Diät, Sport und bulimischen
Reaktionen manipulierten 5,4 Prozent die Insulinmenge. Alamierend an den
Ergebnissen der Studie sei, so die Experten, dass fast die Hälfte der
Typ-1-Diabetikerinnen und fast drei Viertel der Typ-2-Diabetikerinnen "nicht
nur die essstörungstypischen Methoden des Purgings" – beispielsweise Erbrechen
oder Abführmittel – sondern darüber hinaus auch das "diabetesspezifische
Purging durch Unterdosierung oder Weglassen des Insulins zur
Gewichtsreduktion" eingesetzt hätten.
Das Zusammentreffen von Diabetes, Essstörungen
und Manipulation des Zuckerhaushalts erhöhte nach Meinung der Experten die
Krankheits- und Sterberaten unter den Diabetikerinnen. Da 'Essen' für viele
eine "Ersatzbefriedigung" darstelle, reiche eine "reine Essberatung" nicht
aus, so Bandemer-Greulich. "Zur angemessenen Beachtung derartiger
Zusammenhänge ist es erforderlich, in das Therapeutenteam Psychologen
einzubinden", ist das Fazit der Autoren aus ihrer Studie. Nur dadurch sei
"eine optimale Einstellung des Blutzuckerspiegels" zu erreichen. Ein
interdisziplinäres Team könne den betroffenen Diabetikerinnen helfen, auf
psychische Störungen einzugehen und schädigende Faktoren "bereits im
Anfangsstadium zu erkennen und zu behandeln".
Ulrike Bandemer-Greulich et al.:
Problematisches Ernährungs- und Purgingverhalten von Patientinnen mit Diabetes
mellitus
Aktuelle Ernährungsmedizin 2006; 31 (5):
S. 243-248 |