Wenn im Alltag von Lebensqualität gesprochen
wird, so besteht Ungewissheit darüber, was damit gemeint ist:
materieller Wohlstand, Arbeitsbedingungen, Bildung, Gesundheit,
Freizeit? Besonders vieldeutig erscheint dieses Konstrukt speziell im
psychiatrischen Kontext. Die Anwendung des Begriffs "Lebensqualität" als
Indikator zur Bewertung einer psychiatrischen Therapie ist breits
etabliert. Es existiert jedoch keine einheitliche Definition von
Lebensqualität. Die verschiedenen Verfahren und Konstrukte werden
genutzt, um subjektive Lebensqualität zu bestimmen. Wenngleich die
Anwendung von Skalen zur Lebensqualität bereits zur Auflage für die
Zulassung von Neuroleptika gemacht wurde, weist jetzt ein Themenheft der
Zeitschrift "Psychiatrische Praxis" (Georg Thieme Verlag, Stuttgart)
eine unkritische Anwendung der Lebensqualität als Indikator für die
Effektivität einer psychiatrischen Therapie nach. Entgegen der
allgemeinen Überzeugung in der Psychiatrie macht die Verwendung
subjektiver Lebensqualität in Studien zum Nachweis einer guten Qualität
oder gar Effektivität psychiatrischer Interventionen keinen Sinn. Hohe
subjektive Lebensqualität ist keineswegs ein Anzeichen für gute Lebens-
oder Versorgungsbedingungen. Viele Befunde sprechen dafür, dass nicht a
priori erwartet werden kann, die subjektive Lebensqualität
psychiatrischer Patienten würde sich durch Verbesserung der äußeren
Lebensbedingungen langfristig verbessern. Dagegen kann subjektive
Lebensqualität in der Regel als Indikator einer schlechten
Versorgungsqualität herangezogen werden.
Wie ist das zu erklären? Die subjektive
Lebensqualität psychiatrischer Patienten ist als Folge resignativer
Anpassung ähnlich hoch wie in der Allgemeinbevölkerung. Sehr
wahrscheinlich bildet das Konstrukt subjektiver Lebensqualität zum Teil
Anpassungsprozesse ab und es ist daher möglich, dass nach ausreichender
Zeit nur noch Anpassung erfasst wird. Deshalb sollten Patienten
besondere Beachtung finden, die trotz langer Anpassungszeiträume
niedrige subjektive Lebensqualität aufweisen oder unzufrieden sind, weil
dies auf eine Fehlversorgung hinweist. Bei einer dauerhaft wirksamen
Intervention kann sich die subjektive Lebensqualität verschlechtert
zeigen, weil sich aufgrund des Erlebens besserer Umweltbedingungen bei
den Patienten eine Steigerung des Anspruchsniveaus einstellen kann. Da
dies aus therapeutischer Sicht durchaus wünschenswert ist, könnte eine
derartige Verschlechterung der subjektiven Lebensqualität unter
Umständen eine gute Versorgungsqualität anzeigen.
Daraus ergibt sich: Lebensqualität ist
nicht hinreichend präzise definierbar und für ihre Operationalisierung
existieren keine verbindlichen Kriterien. Trotz dieser Kritik sollte
eine stärkere Berücksichtigung der Patientenperspektive weiter gestützt
und ausgebaut werden. Die Einhaltung gewisser Mindeststandards wäre
erforderlich.
Möglichkeiten und Grenzen subjektiver
Lebensqualität schizophrener Patienten als Outcomekriterium
psychiatrischer Therapie.
Psychiat Prax 2006; 33; Nr. 7; S. 317.
Prof. Dr. Franz, Universität Gießen,
Klinikdirektor Vitos Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Bad
Emstal
Ärztlicher Direktor Vitos Klinikum Kurhessen
E-Mail:
michael.franz@vitos-kurhessen.de |