Kooperation ist im Tierreich überlebenswichtig.
Raubtiere jagen in Rudeln und Beutetiere tun sich zusammen, um sich zu
schützen. Doch kein anderes Lebewesen kooperiert so erfolgreich wie wir. Doch
woher kommt diese Fähigkeit einander bewusst zu helfen und ist sie nur auf uns
Menschen beschränkt? In einer neuen Studie zeigen Alicia Melis und ihre
Kollegen vom Leipziger Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie,
dass unsere nächsten Verwandten, die Schimpansen, viel besser miteinander
kooperieren als bisher vermutet. In ihren Versuchen stellten die Forscher die
Schimpansen vor die Aufgabe, an zwei Enden eines Seils gleichzeitig zu ziehen,
um auf diese Weise an ein Holzbrett mit Futter zu gelangen. |
Bild: Max-Planck-Institut für evolutionäre
Anthropologie/Esther Herrmann
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Die Affen ließen sich nur dann von Artgenossen helfen, wenn sie die beiden
Seilenden nicht alleine greifen konnten. Doch dann wählten sie sich den
jeweils effektivsten Helfer aus (Science, 3. März 2006).
"Niemals zuvor
haben wir bei Tieren ein so hohes Maß an Verständnis für kooperatives
Handeln festgestellt", so Melis. Kooperiert wird im Tierreich ständig. So
bringt ein Löwenrudel eine Gazelle zur Strecke oder eine Elefantenherde
tut sich zusammen, um sich vor Raubtieren zu schützen. Diese Art von
Kooperation setzt aber nicht unbedingt große Denkleistungen voraus. Denn
wenn jedes Tier einer Gruppe dasselbe Ziel verfolgt und darauf
gleichzeitig hinarbeitet, kann die gemeinsame Anstrengung "zufällig" zum
Erfolg führen.
In der neuen Studie, die in einer Schimpansenwaisen-Station auf Ngamba
Island in Uganda durchgeführt wurde, verstanden die Schimpansen nicht nur,
wann sie Hilfe brauchen. Sie waren sich auch der Rolle des anderen bewusst
und wählten denjenigen Partner aus, mit dem sie lieber zusammen arbeiten
wollten.
In der Studie mussten die Schimpansen an zwei Enden eines Seiles ziehen,
um an ein mit Futter beladenes Holzbrett zu gelangen, welches mit dem Seil
verbunden war. Dabei sollten die Tiere an beiden Enden gleichzeitig
ziehen, da sich das Seil sonst aus der Verankerung lösen würde. Melis fand
heraus, dass Schimpansen nur dann einen Partner in den Versuchsraum
ließen, wenn die Seilenden so weit voneinander entfernt waren, dass ein
einzelner die Aufgabe nicht lösen konnte.
"Sie mussten nicht nur wissen, wann sie Hilfe brauchten, sondern diese
sich auch selbst herbeiholen.", so Melis. "Dann mussten sie warten, bis
der Helfer den Raum betritt und gleichzeitig mit ihm am Seil ziehen. Dazu
mussten sie wirklich verstanden haben, wozu sie den Partner brauchen."
Wie beim Menschen gibt es auch unter Affen bessere und schlechtere Helfer.
Mawa, der dominante Schimpanse, war kein besonders guter: Er wartete nicht
auf seinen Partner und zog oft zu früh am Seil, so dass es sich aus der
Verankerung löste. Bwambale hingegen war ein sehr guter Helfer. Er wartete
immer auf seinen Partner und zog das Futterbrett fast immer erfolgreich
heran. Zunächst wählten die Schimpansen Mawa und Bwambale gleichermaßen
als Partner. Sobald sie aber gemerkt hatten, was für ein hoffnungsloser
Fall Mawa war, entschieden sie sich schon beim nächsten Versuch für
Bwambale.
Melis war von den Ergebnissen begeistert. "Dies ist die erste Studie, in
der sich Schimpansen entscheiden können, mit wem sie kooperieren möchten.
Wir fanden heraus, dass Schimpansen besonders effektive Helfer bevorzugen.
Schimpansen erinnern sich also genau, wer ein guter und wer ein schlechter
Helfer ist. Schlechte werden beim nächsten Mal nicht mehr ausgewählt."
Die hier von Schimpansen gezeigte Fähigkeit zur komplexen Kooperation
bedeutet möglicherweise, dass der gemeinsame Vorfahre von Menschen und
Schimpansen diese Eigenschaft bereits vor etwa 6 Millionen Jahren besaß.
Dennoch zieht Melis eine deutliche Trennlinie zwischen der Kooperation bei
Schimpansen und der bei Menschen.
"Es ist noch nicht belegt, dass Schimpansen miteinander über ein
gemeinsames Ziel kommunizieren, wie es bereits sehr kleine Kinder tun. Es
ist ebenfalls nicht belegt, ob Schimpansen lernen können, wer ein guter
Partner ist, indem sie sein Verhalten anderen gegenüber beobachten. Wir
denken jedoch, dass Schimpansen, die miteinander kooperieren, mehr
verstehen, als wir bisher annahmen. Zukünftige Studien werden uns
hoffentlich zeigen, was genau menschliche Kooperation so einzigartig
macht."
Melis’ Studie ist eine der ersten, die in einer Waisenstation für
Schimpansen in Afrika durchgeführt wurde. "Diese Stationen leisten
Hervorragendes zum Schutz von Schimpansen, deren Familien durch den Handel
mit bush-meat (Fleisch im Regenwald erlegter Tiere) getötet wurden. Sie
erweist uns und der gesamten Forschungsgemeinschaft einen wunderbaren
Dienst. Wenn diese und ähnliche Forschungsergebnisse bekannt werden, wird
hoffentlich auch das Bewusstsein der Menschen dafür geschärft, dass diese
intelligenten Tiere unseren Respekt und Schutz verdienen."
Quelle: www.mpg.de
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