Bis zu fünf Prozent der
Kinder in Deutschland stottern. Ständiges Korrigieren und Ermahnen durch
Eltern und Lehrer verstärkt die Symptome nur, teilt die Deutsche
Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und
Psychotherapie (DGKJP) mit. Mit Sprach- und Verhaltenstherapien lernen
Betroffene, ihre Angst vor bestimmten Sprechsituationen zu überwinden.
Viele Eltern sind durch überhastetes und
unrhythmisches Sprechen ihrer Kinder beunruhigt und tendieren dazu, die
Symptomatik über zu bewerten. Bevor sie eine Behandlung beginnen,
sollten sie erst klären, ob es sich wirklich um ein Stottern handelt.
Häufig sind es entwicklungsbedingte Sprechunflüssigkeiten, die
vorübergehend bei vielen Kindern im Kindergartenalter auftreten. Solange
dies der Fall ist, sollten in erster Linie die Eltern informiert und
beraten werden. „Entscheidend ist, dass sie sich auf den Inhalt des
Gesagten und weniger auf die Form konzentrieren“, erläutert Prof.
Waldemar von Suchodoletz von der DGKJP. „Verbesserungen und Ermahnungen
lenken die Aufmerksamkeit auf den Sprechvorgang und verunsichern die
Kinder – es besteht die Gefahr einer Fixierung. Bezugspersonen wie
Eltern und Lehrer sollten statt zu korrigieren selbst klar und nicht zu
schnell sprechen.“ Mit Hilfe intensiven sprachlichen Austauschs in
lockerer Atmosphäre können Kinder vorübergehende Sprechunflüssigkeiten
überwinden.
Wenn allerdings bei
solchen Unflüssigkeiten Verkrampfungen der Gesichtsmuskulatur oder
zusätzliche Bewegungen von Kopf, Arm oder Oberkörper zu sehen sind und
die Symptomatik länger als sechs Monate andauert, deutet dies auf ein
Stottern hin. Häufig klingt es ganz von alleine ab. „Sprechunflüssigkeiten
können immer dann bestehen bleiben, wenn sich beim Kind
Störungsbewusstsein und Leidensdruck entwickeln“, betont Prof. von
Suchodoletz von der DGKJP. „Äußere Anzeichen hierfür sind, wenn es beim
Auftreten von Symptomen den Blickkontakt und das Sprechen abbricht,
bestimmte Wörter und Sprechsituationen gar ganz vermeidet.“
Kommunikativer Druck verstärkt das Stottern; daher stottert das Kind
meist weniger, wenn es mit einem Kleinkind, einem Haustier oder alleine
spricht. Zudem können sich Phasen mit starkem Stottern mit solchen
abwechseln, in denen das Kind völlig fließend spricht.
Stottern tritt in der
Gesamtbevölkerung nach Angaben der DGKJP mit einer Häufigkeit von etwa
ein Prozent, im Kindesalter von bis zu fünf Prozent auf. Jungen sind
drei Mal so oft wie Mädchen betroffen. Bei rund der Hälfte der
stotternden Kinder treten die ersten Symptome um das dritte Lebensjahr
auf. Das Stottern kann aber in jeder Altersstufe einsetzen; gelegentlich
wird es durch Erkrankungen, traumatische Erlebnisse oder andere
ungewohnte und verunsichernde Lebenssituationen ausgelöst. Neben
psychoreaktiven Einflüssen werden aber vorwiegend erbliche und
hirnorganische Faktoren als Ursachen diskutiert.
Hilfe durch Sprach- und
Verhaltenstherapie
Stotternde Kinder
sollten so früh wie möglich eine Sprachtherapie erhalten. Im
Vorschulalter stehen Sprechspiele im Vordergrund, die den
Übungscharakter eher verdecken. Die Aufmerksamkeit wird auf den
Spielinhalt gelenkt, zugleich wird eine emotional unterstützende
Situation geschaffen. Durch Rollenspiele lassen sich Rhythmus und
Sprechtempo variieren und begleitende Gebärden einführen. Bei älteren
Kindern kann gezielter geübt werden. Systematische Sprechübungen setzen
allerdings eine hohe Motivation von Kind und Familie voraus. „In der
Therapiestunde kann die Redeflussstörung relativ schnell gebessert
werden“, betont Prof. Waldemar von Suchodoletz (DGKJP). „Schwierigkeiten
bereitet jedoch die Übertragung dieser Erfolge auf alltägliche und
emotional belastende Situationen. Daher werden auch psychotherapeutische
Maßnahmen eingesetzt, um Angst und Vermeidungsverhalten abzubauen.“
Geeignet sind verhaltenstherapeutische Techniken wie die stufenweise
Gewöhnung an immer schwierigere Sprechsituationen und ein
Selbstsicherheitstraining. Bei Kindern mit ausgeprägten Verkrampfungen
bieten sich zudem autogenes Training und andere Entspannungsverfahren
an. Die Wirksamkeit von alternativen Behandlungsmethoden wie Akupunktur
und Hypnose konnte dagegen bisher nicht nachgewiesen werden. Sowohl das
Kind als auch die Eltern sollten langfristig in der Lage sein, eine
Restsymptomatik zu akzeptieren und bei erneutem Auftreten des Stotterns
erlernte Therapietechniken selbstständig wieder einzusetzen.
Quelle:
DKJP |